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SPÖ-Chaos

Jetzt offiziell: Kern zieht EU-Kandidatur zurück

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Abschied aus allen Funktionen mit Parteitag am 24. November.

Erneuter Paukenschlag in der SPÖ: Christian Kern zieht seine EU-Kandidatur für die SPÖ zurück.

Der bisherige SPÖ-Chef Christian Kern hat am Samstag seinen vollständigen Rückzug aus der Politik erklärt. Bei einer Pressekonferenz verkündete Kern, nun doch nicht als Spitzenkandidat bei der EU-Wahl antreten zu wollen. Mit der neuen SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner habe er das abgesprochen. "Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker", sagte Kern.

Der Hintergrund: Der Noch-SPÖ-Chef wollte - wie ÖSTERREICH berichtete - mit einer "Allianz" von Roten, Liberalen und Grünen für die EU-Wahl antreten und nicht mehr für die europäischen Sozialdemokraten. Am 20. Oktober sollte er in Paris bei einer Veranstaltung von Frankreichs Emmanuel Macron darüber diskutieren.

Für die designierte SPÖ-Chefin, Pamela Rendi-Wagner und SP-Geschäftsführer Thomas Drozda war das zu viel. SPÖ-Insider berichten oe24, dass beide Kern ihre Unterstützung dafür entzogen hätten.

Kern erklärt Rückzug aus "Berufspolitik"

Der Ex-Bundeskanzler erklärte, jetzt wieder einen "Brotberuf" annehmen zu wollen und sich völlig aus der österreichischen Politik zurückziehen.

Kern betonte einmal mehr, die kommende Europawahl als "Schlacht der Schlachten um die Zukunft unseres Kontinents" zu sehen. Es gehe darum, eine Allianz von rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien zu verhindern.

Er habe aber erfahren müssen, "dass es als ehemaliger Regierungschef nicht möglich ist, die innenpolitische Bühne zu verlassen", meinte Kern. Damit habe er der Diskussion um Europa nicht mehr Gewicht geben können, sondern eine Fortsetzung des "innenpolitischen Klein-Kleins" erlebt.

Idealismus ein heikles Thema

Die Erleichterung war Kern anzusehen, als er auch seinen politischen Gegner Heinz-Christian Strache zitierte: "Einen guten Roten erkennt man im Abgang." Er werde sich jetzt ein Krönchen und einen Maßanzug kaufen, scherzte er.

Karriere als Unternehmer?

Die neue SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner sei auch seine Wahl gewesen und lange in Planung gewesen. Kern tritt komplett aus der "Berufspolitik" zurück und will in Zukunft eine Karriere als Unternehmer anstreben.

Die Überzeugung habe er, das Europa eine Veränderung braucht - man erlebe, wie Europa von innen zerstört wird.  Die Rechtsextremen-Bewegung sei seiner Meinung nach auch in einer unglaublich starken Entwicklung - siehe Schweden.

Wer wird nun EU-Spitzenkandidat?

Nicht kommentieren wollte der frühere Bundeskanzler Spekulationen, dass Andreas Schieder stattdessen SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl am 26. Mai werden könnte. Seinen Rückzug begründete Kern damit, dass er sich auch nach dem angekündigten Wechsel in die EU-Politik der innenpolitischen Debatte nicht entziehen konnte und dass die Diskussion um seine Person den Start der neuen Parteiführung überlagert habe. Daher werde er mit dem auf 24. November verschobenen Parteitag alle Funktionen zur Verfügung stellen.

Kern zieht "positive Bilanz"

Trotz der Querelen der vergangenen Wochen zeigte sich Kern bei seinem Abschied durchaus von seiner selbstbewussten Seite. Er zog noch einmal eine positive Bilanz seiner Amtszeit als Bundeskanzler (Stichwort: sinkende Arbeitslosigkeit) und Parteichef und wollte auch nicht gelten lassen, der Partei mit seinem überhasteten Abgang geschadet zu haben.

Als er die SPÖ übernommen habe, sei sie in den Umfragen unter 20 Prozent gelegen und sei intern eher für einen "psychotherapeutischen Großversuch" geeignet gewesen denn als politische Bewegung. Bei der (verlorenen, Anm.) Nationalratswahl habe die SPÖ dann entgegen dem europäischen Trend Stimmen gewonnen. Und, so Kern: "Ich denke auch, dass wir bei dieser Europawahl hervorragende Chancen haben, Nummer eins zu werden."

Pamela Rendi-Wagner war "meine Wunschkandidatin"

Die neue Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner schilderte Kern als seine Wunschnachfolgerin und meinte, die Übergabe sei gut gelaufen. Er habe eine "langfristige Personalplanung" verfolgt und sei glücklich und zufrieden, eine Nachfolgerin zu haben, die in der Lage sein werde, den erfolgreichen Weg fortzusetzen. Natürlich sei ihm klar gewesen, dass ihre Durchsetzung nicht friktionsfrei laufen werde. "Dass das mit Schrammen und Diskussionen einhergegangen ist, das ist zur Kenntnis zu nehmen, aber das Ergebnis steht eindeutig im Vordergrund", sagte Kern, der im übrigen auch interne Intrigen rund um seinen Abgang als Parteichef kritisierte.

Kern will jetzt Unternehmer werden

Was seine persönliche Zukunft angeht, liebäugelte Kern mit einer Unternehmensgründung. Details nannte er aber nicht. Er habe immer gesagt, kein Berufspolitiker sein zu wollen, so Kern. "Ich freue mich, mein Leben zurückzubekommen und den Weg in Wirtschaft und Unternehmertum zurückzugehen."

Das Projekt einer "europäischen Einigung der progressiven Kräfte" will Kern als sein "Herzensanliegen" auch als Privatperson weiter fördern. Es brauche in Europa neue Bündnisse von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen sowie mit Politikern wie Emanuel Macron und Alexis Tsipras, um den Aufstieg der Kräfte am rechten Rand zu verhindern. Aber zur Tagespolitik werde er "definitiv nicht vom Muppetbalkon" Stellung nehmen, versicherte Kern.

"Gönne mir heute ein großes Glas Rotwein"

An seinen Nachfolger als Bundeskanzler, Sebastian Kurz (ÖVP), appellierte Kern, sich auf seinen inhaltlichen Kompass zu besinnen und nicht bloß auf Machterhalt zu setzen. Und er selbst werde sich am Abend ein großes Glas Rotwein genehmigen. Und, so Kern in Anspielung an wenig schmeichelhafte Prinzessinnen-Karikaturen: "Vielleicht mache ich mir die Freude und kaufe mir einen Maßanzug und ein Krönchen, damit ein paar Geschichten, die in den letzten Jahren verbreitet wurden, sich bewahrheiten."
 

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