Da haute FPÖ den Hut drauf

ÖVP wollte auch Kickl kippen

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12 Stunden lang rang Kurz am Samstag um die Zukunft der türkis-blauen Regierung.

Wien. Nach dem Rücktritt seines Koalitionspartners Heinz-Christian Strache dauerte es beinahe zwölf Stunden, bis sich Sebastian Kurz entschloss, in Neuwahlen zu gehen. Stundenlang berieten Kurz und seine Vertrauten am Samstag im Kanzleramt die Zukunft von Türkis-Blau – vor der Tür forderten tausende Demonstranten Neuwahlen.

So kam es dann ja auch – um 19.45 Uhr verkündete der Kanzler das Aus seiner Koalition, 20 Minuten später trat Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor die Kameras (siehe Kasten unten).

Doch zuvor wurde in der ÖVP gerungen: So sprachen sich de facto alle Landesfürsten für einen klaren Schnitt aus. Besonders Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner soll die Probleme mit den Freiheitlichen – von Rattengedicht bis eben jetzt zum Ibiza-Skandal – längst satthaben.

Als die ÖVP Kickls Kopf wollte, war es schon aus

Kurz zögerte. Doch Kurz ­zögerte und wollte seine Regierung nicht so leicht aufgeben. FPÖ-Vize Norbert Hofer wäre bei den Türkisen als Strache-Nachfolger wohlgelitten gewesen, denn Kurz schätzt den Burgenländer. Der blaue Plan war ja auch, Hofer als Vizekanzler zu installieren, ausgerechnet den Udo-Landbauer-Vertrauten Christian Hafenecker zum Verkehrsminister zu machen – und einfach weiterzuregieren.

Da hatte sich in Kurz’ Um­gebung bereits die Erkenntnis durchgesetzt, dass Straches Rücktritt nicht ausreicht, dass ein Weitermachen den Kanzler selbst beschädigen könnte. Als am Nachmittag Meldungen die Runde machen, die ÖVP wolle auch den Abgang des engsten Strache-Vertrauten, und zwar von Innenminister Herbert Kickl, erzwingen, war es de facto schon aus. Die FPÖ ließ sofort wissen: Wir halten an Kickl fest. Over und Aus für Türkis-Blau nach 515 Tagen.

Neuwahlen mit einem ­ungewissen Ausgang

Neuwahl am 22. September? Eine Neuwahl wäre vom Fristenlauf her frühestens Mitte Juli möglich. Das ist in 82 Tagen. Da ein Sommertermin traditionell aber vermieden wird, dürfte im September ­gewählt werden. Aus Regierungskreisen war der 15. oder 22. September zu hören, es steht also ein langer Wahlkampf bevor.

Wie bei Schüssel. Kurz rechnet sich aus, dass er wie 2002 Wolfgang Schüssel viele Stimmen von enttäuschten FPÖ-Fans bekommt. Ein Kalkül, das aufgehen könnte.

(gü)

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