Einen Teil der Gelder sollen an die Zeitschrift von Ex-EU-Mandatar Andreas Mölzer gegangen sein. Der wies alle Vorwürfe zurück. Geld soll auch für Windhunde und Katzen abgezweigt worden sein.
Die mittlerweile aufgelöste Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europaparlament steht nach Medienberichten unter dem Verdacht der Veruntreuung von EU-Geldern. Der Schaden betrage für die Jahre 2019 bis 2024 etwa 4,3 Millionen Euro, berichteten unter anderem "Die Zeit" und die Tageszeitung "Le Monde". Betroffen sei auch das FPÖ-nahe Magazin "Zur Zeit".
Das Geld stammte demnach aus einem Haushaltstopf, aus dem die Fraktionen Dienstleister für ihre Arbeit im Parlament zahlen sollen. Profitiert haben sollen hingegen "politische Buddys" der ID-Fraktion, wie "Die Zeit" schreibt, darunter Unternehmen, die der AfD und der französischen Partei Rassemblement National (RN) nahestanden.
"Bei 427.045 Euro Regeln nicht eingehalten"
Rund 600.000 Euro gingen demnach an "Zur Zeit". "Bei mindestens 427.045 Euro sollen die EU-Regeln nicht eingehalten worden sein." Vergaberegeln seien missachtet, zu hohe Rechnungen ausgestellt worden. Ein Bericht der Generaldirektion für Finanzen des Europäischen Parlaments komme zum Schluss, "Zur Zeit" sei rechtswidrig gefördert worden. Der ehemalige ID-Generalsekretär Philip Claeys wies die Vorwürfe zurück, alles sei "ordnungsgemäß" abgelaufen. Hinter "Zur Zeit" steht der ehemalige FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer. Und auch dieser wies die Vorwürfe im Gespräch mit dem ORF zurück.
RN-Fraktionschefin Le Pen im März verurteilt
Die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen war erst im März gemeinsam mit mehreren weiteren prominenten Parteimitgliedern wegen der Veruntreuung von EU-Geldern in Höhe von 4,5 Millionen Euro verurteilt worden. Es dränge sich der Eindruck auf, dass es "für diese politische Richtung ein Sport ist, die Europäische Union zu betrügen", zitierte "Die Zeit" den Vorsitzenden des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament, Niclas Herbst (CDU). Herbst kündigte eine Strafanzeige bei der Europäischen Staatsanwaltschaft an.
Die Vorwürfe kamen auf, nachdem die ID-Fraktion sich im Juli 2024 auflöste und deren Schlussabrechnung kontrolliert wurde. Dabei seien die Budgetprüfer auf "zahlreiche mutmaßlich rechtswidrige Transaktionen" gestoßen, schreibt "Die Zeit". Deren Bericht zeichne nach, "wie dreist und zuweilen kreativ die Ultrarechten an den Vorschriften des EU-Parlaments vorbeigewirtschaftet haben sollen".
Die ID-Fraktion steht den Berichten zufolge im Verdacht, die Pflicht zu Ausschreibungen missachtet und befreundete Firmen bezahlt zu haben. So soll eine Medienagentur aus der deutschen Stadt Fulda, deren Besitzer ein AfD-Lokalpolitiker ist, insgesamt 64.000 Euro erhalten haben, ohne dass andere Angebote eingeholt worden seien. Die AfD-Abgeordnete Christine Anderson, deren Website von dem Fuldaer Unternehmen gestaltet wurde, wies die Vorwürfe nach Angaben der "Zeit" zurück.
Mehr als drei Mio. Euro an RN-nahe Unternehmen
Deutlich höhere Beträge von insgesamt mehr als drei Millionen Euro flossen den Medienrecherchen zufolge an Unternehmen, welche dem französischen RN nahestehen. Auch in diesen Fällen sei auf Ausschreibungen verzichtet worden, auch seien Beträge ohne erkennbare Gegenleistung gezahlt worden.
Spende für misshandelte Windhunde und streunende Katzen
Schließlich habe die ID-Fraktion auch noch insgesamt 700.000 Euro an diverse Vereine und Initiativen verteilt, deren Arbeit keine Verbindung zum EU-Parlament gehabt habe. Nach Informationen der "Zeit" spendete die Fraktion etwa 3.250 Euro für misshandelte Windhunde aus den französischen Alpen sowie 1.100 Euro für streunende Katzen im italienischen Latium. In beiden Fällen habe es persönliche Verbindungen zu Parteifreunden gegeben.
Nach Angaben von "Le Monde" soll der interne Prüfbericht in Kürze an den Ausschuss zur Haushaltskontrolle gehen. "Die Verwaltung geht davon aus, dass ein Gesamtbetrag von mindestens 4.333.635,78 Euros von der ID-Fraktion unrechtmäßig ausgegeben wurde", heißt es in dem Bericht. Dies könne "Korrekturmaßnahmen" zur Folge haben.
Falls es dazu kommen sollte, müsste zuerst die Rechtsnachfolge geklärt werden: Die ID-Fraktion war 2024 auseinander gebrochen, nachdem die AfD-Abgeordneten ausgeschlossen worden waren. Grund für den Ausschluss waren radikale Äußerungen des damaligen AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Der RN sowie das ebenfalls ehemalige ID-Mitglied FPÖ gehören inzwischen der Fraktion "Patrioten für Europa" an, die AfD gehört der Fraktion Europa Souveräner Nationen an.