Der Versuch der Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA, an E-Mails der Kurz-Mitarbeiter zu kommen ist rechtmäßig, sagt ein Gericht.
Das Oberlandesgericht Wien hat der Beschwerde der Republik Österreich gegen die Anordnung der WKStA vom August 2022 zur Sicherstellung von Daten im Bundeskanzleramt abgewiesen. Diese Sicherstellungsanordnung war im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre und dem so genannten "Beinschab-Tool" ergangen. Aufgrund eines weiteren Widerspruchs gegen die Daten-Sicherstellung kann die WKStA aber trotz des OLG-Entscheids aktuell noch nicht auf die Daten zugreifen.
Neuerlicher Widerspruch eingelegt
Das Bundeskanzleramt hatte aus grundsätzlichen rechtlichen Überlegungen Rechtsmittel gegen die Sicherstellungsanordnung erhoben, gleichzeitig aber die Daten bereits 2022 aufbereitet. Diese Daten wurden im Juni 2023 auf Grund einer weiteren Sicherstellungsanordnung vom Bundeskanzleramt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft übergeben.
Rund 100 Mitarbeiter betroffen
Die Sicherstellungsanordnung umfasst alle Daten auf E-Mail-Postfächern und persönlich zugeordneten Laufwerken sowie eOffice-Dokumente von sämtlichen Mitarbeitern des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember 2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bzw. in der Stabsstelle für strategische Kommunikation tätig waren. Umfasst sind auch Mitarbeiter im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung und -Budget) sowie jene Kabinettsmitarbeiter, die für die beiden genannten Bereiche zuständig waren. Insgesamt dürften rund 100 Mitarbeiter von der Sicherstellung betroffen sein.
Kurz-Mitarbeiter hatten Mails massenhaft gelöscht
Die WKStA hatte ihre Sicherstellungsanordnung vom August 2022 damit begründet, dass frühere enge Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) massenhaft Emails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten und ihr dadurch möglicherweise der Zugriff auf Beweismaterial entzogen worden sei. Mit der aus den Ermittlungen gewonnenen Überzeugung, dass "die Beschuldigten im Zuge der Umsetzung ihres Tatplanes per E-Mail oder mittels Chatnachrichten kommunizierten", argumentierte die WKStA, dass sich aus den angeforderten Daten Beweisergebnisse ergeben könnten. Die Sicherstellung der Daten sei erforderlich, "weil die Beschuldigten großflächige Löschungen von ihren elektronischen Daten vorgenommen haben" und die Beweiserhebung auf andere Weise nicht möglich sei.
Mit der Sichtung der Daten von möglichen Kommunikationspartnern hofft die WKStA, über Umwege Informationen über Auftragsvergaben und die Verwendung von Umfrageergebnissen gewinnen zu können. Bei den Ermittlungen geht es um das sogenannte "Beinschab-Österreich-Tool", bei dem mutmaßlich Steuergeld für türkise Parteiinteressen verwendet worden sein soll.
Gegen die Sicherstellungsanordnung vom August 2022 war von der Republik Österreich Einspruch erhoben worden. Die Anordnung sei für einen Vollzug zu unbestimmt, sagte damals der vom Kanzleramt als "Anwalt der Republik" beigezogene Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn. Darüber hinaus wurde darauf verwiesen, dass die WKStA anstelle einer Sicherstellungsanordnung mit Amtshilfe vorzugehen habe, zumal das Bundeskanzleramt kooperativ sei und die Republik Österreich ein Interesse an rechtsrichtigen Ermittlungen habe - und die Daten ohnedies alleine vom Bundeskanzleramt aufbereitet werden können.
Der Einspruch wurde vom Landesgericht im Dezember 2022 abgelehnt, daraufhin wurde ebenfalls im Dezember seitens der Republik Beschwerde beim Oberlandesgericht Wien (OLG) eingelegt. Dieser Beschwerde wurde nun mit Beschluss des OLG Wien vom 7. September keine Folge gegeben, wie aus der der APA vorliegenden gerichtlichen Entscheidung hervorgeht.
Die von der Sichergestellungsanordnung vom August 2022 umfassten Daten sind der WKStA vom Bundeskanzleramt bereits im Juni 2023 auf Grundlage einer weiteren Sicherstellungsanordnung übergeben worden. Gegen diese Sicherstellung wurde vom Bundeskanzleramt ein sogenannter "Widerspruch" eingelegt - mit der Begründung, es könne schon alleine auf Grund des enormen Datenumfangs nicht ausgeschlossen werden, dass sich in diesen Daten auch vom Gesetz besonders geschützte Informationen befinden. Infolgedessen wurden die Daten von der WKStA dem Landesgericht für Strafsachen Wien übergeben.
In einem Sichtungsverfahren ist von diesem seitdem zu klären, ob und welche Daten tatsächlich freigegeben werden. "Daran ändere auch die vorliegende Entscheidung des OLG Wien nichts" so Peschorn.
Das OLG Wien folgt mit seiner nunmehrigen Entscheidung nicht den Bedenken der Republik, wonach die Sicherstellungsanordnung "unzureichend" bestimmt ist, und erachtet die umfangreiche Sicherstellung von dienstlicher und privater Daten u.a. deswegen für zulässig, weil es nicht möglich sei, die Daten vor der Sicherstellung entsprechend zu filtern. Gleichwohl aus Sicherstellungsanordnung hervorgehe, dass Daten, die nicht mit dem "Beinschab-Österreich-Tool" in Verbindung stehen, und ebenso Daten, die der Geheimhaltung nach § 112a StPO (nachrichtendienstliche Informationen) nicht sichergestellt werden sollen, "ist die angeordnete ungefilterte Mitnahme sämtlicher potentiell relevanter, auf den genannten Datenquellen gespeicherten Daten zulässig und geradezu unumgänglich". Denn es wäre praktisch nicht durchführbar, "vor Ort eine Unzahl an Daten auf ihre Relevanz (...) - etwa anhand entsprechender Suchworte oder anderer Filterkriterien (...) - zu durchsuchen" schreibt das OLG in seiner Begründung. So wären etwa zahlreiche Informationen aus Daten "bei einer bloßen Stichwortsuche nicht zugänglich".
Peschorn sagte auf APA-Anfrage, mit den Rechtsmitteln habe die Republik Österreich - "als Inhaberin der von der Sicherstellungsanordnung betroffenen Daten" - "wichtige grundrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen, die sich jede Arbeitgeberin zu stellen hat, wenn sie mit einer strafbehördlichen Zwangsmaßnahme konfrontiert ist, einer gerichtlichen Klärung zuführen" wollen. "Unsere Argumente waren von Gewicht, man hat sich aber leider nicht mit allen entsprechend ihrer Bedeutung auseinandergesetzt." Vieles bleibe daher für zukünftige Fälle offen.
Die Entscheidung könnte vom Gesetzgeber zum Anlass genommen werden, das Verhältnis von Zwangsmaßnahmen zur Amtshilfe zu ordnen und die Sicherstellung von Daten klar zu regeln, so Peschorn. "Eine Sicherstellung von Daten unterscheidet sich grundlegend von der Sicherstellung einer Tatwaffe oder von Aktenordnern. Die richtigen gesetzlichen Maßnahmen könnten auch wesentlich zur Beschleunigung der strafrechtlichen Ermittlungen beitragen", meinte Peschorn zur APA.