Risiko-Deals an Börse

So lief die Energie-Spekulation

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Strom wurde zu niedrigeren Preisen verkauft, als jetzt zu zahlen sind.

Wien. Die finanzielle ­Notlage der Wien Energie sorgt weiterhin für Riesenaufregung. Rund zehn Milliarden Euro (!) soll die Stadt-Wien-Tochter als Rettungsschirm benötigen, sonst droht ihr die Zahlungsunfähigkeit. Aber wie konnte das passieren?

Zocken mit derivativen Finanzinstrumenten?

„Short“ gegangen. Laut ÖSTERREICH-Informationen hat die Wien Energie sowohl für Strom als auch Gas ­derivative Finanzinstrumente abgeschlossen (höchste Risikoklasse).

Während bei Gas mehr Terawattstunden gekauft wurden als verkauft, ist es bei Strom genau umgekehrt. Hier wurden mehr Terawattstunden am Terminmarkt zu einem fixen Preis verkauft als gekauft. Das heißt in der Finanzsprache, die Wien Energie ist „short“ gegangen. „Das für sich allein betrachtet ist Spekulation“, erklärt ­Finanz-Ombudsmann Gerald Zmuegg. ­Hieraus resultiert der nunmehr kolportierte Finanzierungsbedarf.

Die Wien Energie dürfte sich verspekuliert haben, weil die Preise weiter gestiegen sind (kolportiert wird eine Verzehnfachung des „abgesicherten“ Preises), was nun zu massiven Nachschussverpflichtungen führt.

So lief die Energie-Spekulation
© APA/HANS PUNZ
× So lief die Energie-Spekulation
Wien-Energie-Chef Michael Strebl in der Kritik.

Bis zu 8 Milliarden Euro könnten fehlen

Besonders dramatisch: Die vertraglichen Verpflichtungen könnten sogar noch um ein Vielfaches höher sein als bisher bekannt.

Im Raum stehen laut Unternehmensinsidern bis zu acht Milliarden Euro, die der Wien Energie durch diese Finanzgeschäfte verloren gegangen sind!

Wien Energie: Strom zwei Jahre im voraus verkauft

Bei der Wien Energie stellt man das Ganze freilich anders dar: „Die Wien Energie hat sich nicht verspekuliert“, schreibt Tobias Rieder, Head of Public ­Affairs der Wien Energie, auf Twitter.„Wien Energie verkauft Strom aus den Kraftwerken bis zu zwei Jahre im Voraus und beschafft Strom und Gas langfristig für Kunden an der Börse. So sichern wir uns gegen zukünftige Preisschwankungen ab.“ Dieses Vorgehen – das sogenannte Hedging – sei ein bewährtes Instrument des Risikomanagements, beschwichtigt der Wien-Energie-Sprecher.

Finanz-Ombudsmann zu Geschäften der Wien Energie:

"Risiko falsch eingeschätzt"

Finanz-Ombudsmann Gerald Zmuegg erklärt die riskanten Derivatgeschäfte.

ÖSTERREICH: Was ist bei der Wien Energie passiert?

Gerald Zmuegg: Die Wien Energie hat bereits zu Jahresbeginn ihre gesamte Jahres-Stromproduktion verkauft. Sie hat sich mit 10 Cent pro Kilowattstunde abgesichert. Mittlerweile beträgt der Strompreis 1 Euro. Das ­Volumen ist so groß, dass die Finanzpartner Nachschusszahlungen wollen.

ÖSTERREICH: Wieso hat man das getan?

Zmuegg: Die Manager dachten, dass die hohen Strompreise wieder sinken. Das Risiko wurde nicht richtig durchgespielt. Im Grunde ist das Risiko unlimitiert.

ÖSTERREICH: Was bedeutet das für die Kunden?

Zmuegg: Aktuell wären nur Preise von mehr als einem Euro pro Kilowattstunde für Wien Energie kostendeckend.

(fen)

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