Ex-Kanzler muss sich ab 18. Oktober wegen des Vorwurfes der Falschaussage vor Gericht verantworten
Sebastian Kurz kehrt ins Scheinwerferlicht zurück, freilich nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Österreichs jüngster Altkanzler muss sich wegen des Vorwurfs der Falschaussage vor einem Gericht verantworten. Vor den Kadi ruft ihn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, mit der sich der vormalige ÖVP-Chef und sein Umfeld über Jahre ein Scharmützel lieferten. Abgesegnet wurde das vom grün-geführten Justizministerium, koalitionär wieder ein heikler Moment.
Dass Kurz dereinst in die Politik zurückkehren will, vermuten viele, auch wenn er das bestreitet und den durch die Welt jettenden Businessman gibt. Wie auch immer - sollte der demnächst 37-Jährige doch Comeback-Pläne wälzen, ist für ihn das Gerichtsverfahren eine besonders delikate Angelegenheit. Bisher gab sich Kurz stets siegessicher, ermittelt wird gegen ihn ja auch noch im Zusammenhang mit den Thomas Schmid-Chats unter anderem wegen Untreue.
Jetzt aber geht es um einen Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss, wo Kurz seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt haben soll. Es ist durchaus glaubwürdig, dass Kurz sich selbst unschuldig wähnt. Lange schon erzählt er die Geschichte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die es aus welchen Gründen immer auf ihn abgesehen hat.
Nie ganz verschwunden
Ohnehin sieht sich Kurz nicht so ungern als Opfer linker Mächte. Sein Amt verließ er nicht freiwillig, politische Zwänge und der Machtwille seiner Volkspartei hatten ihm im Herbst vor zwei Jahren das Kanzleramt gekostet. Nach einer kurzen politischen Trotzphase ließ er es dann ganz sein und wechselte in die Privatwirtschaft zu US-Investor Peter Thiel, ist mittlerweile in unterschiedlichsten Branchen aktiv von Cybersicherheit bis Pflege.
Ganz verschwunden ist Kurz von der Bildfläche dabei nie. Er inszeniert sich gerne mit schönen Bildern aus aller Welt auf Instagram. Am Rande der Salzburger Festspiel lud der Altkanzler zu einem Society-Event, das auch sein Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) nicht ausließ. Die einen nennen das Lobbying, die anderen halten es für die Vorbereitung eines Comebacks.
Dass Kurz sein politisches Ende nicht so stehen lassen will, würde nicht wundern. Denn sein kometenhafter Aufstieg ließ eigentlich eine Ära erwarten. Er war etwa jüngster Staatssekretär, jüngster Außenminister, jüngster ÖVP-Chef und jüngster Kanzler. Seine Partei legte sich ihm zu Füßen, ließ ihn sogar die Parteifarbe wechseln und den Nationalratsklub mit Epigonen füllen.
Der Weg dorthin war gar kein so typisch vorgegebener. Kurz kam aus einer politisch nicht allzu interessierten Familie, heuerte bei der Jungen ÖVP an und schaffte sich dort auch rasch ein Standing, das bis an die Spitze der Organisation führte, die später quasi seine Basis am Weg weiter nach oben werden sollte. Wichtigster Karriere-Helfer war Vizekanzler Michael Spindelegger, der ihm aus dem Nichts die Chance gab, Integrationsstaatssekretär zu werden.
Dort anfangs mit Häme bedacht entwickelte sich Kurz, der sein Jus-Studium bisher nicht abgeschlossen hat, zum Shooting Star. Auch als Außenminister wusste er zu überraschen. Mit einem akribischen Karriere-Plan und einem treuen Team hievte er Reinhold Mitterlehner aus dem Amt, um die Partei zu übernehmen und aus einer rot-schwarzen Koalition heraus mit einem Wahltriumph der ÖVP das Kanzleramt zu sichern.
Flexibilität
Flexibilität konnte man Kurz nicht absprechen. Zunächst machte er best gelaunt mit der FPÖ gemeinsame Sache, um diese nach Ibiza fallen zu lassen und nach einer weiteren Neuwahl trotz zwischenzeitlicher Absetzung durch den Nationalrat eine Koalition mit dem besten aus beiden Welten mit den Grünen zu zimmern. Allzu viele inhaltliche Spuren hinterließ Kurz nicht. Die Kassenreform und die Corona-Lockdowns werden wohl am längsten in Erinnerung bleiben, dazu ein kräftiger Rechtsruck in der Migrationspolitik. Interessanter war schon seine Art der Kommunikation, die viel besprochene und mittlerweile oft, meist schlecht, kopierte Message Control. Die wird Kurz vor Gericht allerdings eher nicht weiter helfen. Dass gerade er sich vor dem U-Ausschuss verplappert haben könnte, wird den Vater eines Sohns wohl selbst am meisten ärgern.
Zur Person: Sebastian Kurz, geboren am 27. August 1986 in Wien. 2007-2012 Vorsitzender der Wiener JVP, 2009-2017 Obmann der Bundes-JVP. 2010-2011 Abgeordneter zum Wiener Landtag. Ab Juni 2011 Staatssekretär für Integration, ab Dezember 2013 Außen- und ab März 2014 Außen- und Integrationsminister. Von Mai 2017 bis Dezember 2021 ÖVP-Obmann, von Dezember 2017 bis Mai 2019 und von Jänner 2020 bis Oktober 2021 Bundeskanzler.