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Politik

Asyl: Flüchtlinge in jeden Ort

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Aufnahmestopp ab Mittwoch - Neue Asyl-Konzepte.

Knalleffekt am Freitag in der Asylpolitik: Das mit 4.600 Flüchtlingen (davon 2.000 Obdachlose) überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen wird spätestens am Mittwoch gesperrt. Es wird keine Neuaufnahmen geben, stattdessen werden Flüchtlinge auf die Länder aufgeteilt.

Bis zu 410 Anträge pro Tag, alleine im Juli etwa 7.500
Die Sperre wurde von Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll (ÖVP) durchgesetzt, weil Ärzte beim Lokalaugenschein in Traiskirchen die „medizinische und hygienische Lage“ kritisierten. Zudem verhängte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ­einen Aufnahmestopp, weil die Länder bis zum Stichtag Freitag nur 4.200 statt der geforderten 6.500 Quartiere zur Verfügung stellten. Zusätzlich soll ein neues Verfassunggesetz und ein 5-Punkte-Plan der Regierung (siehe rechts) beim Umgang mit den steigenden Antragszahlen (im Juli 7.500, letzte Woche 2.051, täglich bis zu 410) helfen.

Künftig werden Flüchtlinge direkt an NGOs übergeben
Auch die Verteilung der Flüchtlinge erfolgt nach einer neuen Strategie: Das Innenministerium setzt auf die Hilfe von NGOs (Nichtregierungs-Organisationen) und kann Flüchtlinge direkt an Hilfswerk, Caritas und Diakonie & Co. übergeben. „Alles, was besser als eine nasse Wiese ist, kommt in Frage. Die NGOs ­haben mehr Regionalkompetenz“, sagt Mikl-Leitner. Um die dramatische Situation bis zum Aufnahmestopp am Mittwoch nicht endgültig eskalieren zu lassen, werden laut Mikl in einem ersten Schritt mindestens 650 Flüchtlinge aus Traiskirchen weggebracht: 300 Frauen und Kinder finden Unterkunft in der Wiener ­Sicherheitsakademie, 300 Schutzsuchende werden in Quartiere nach Salzburg und Vorarlberg verlegt. Der Arbeitersamariterbund übernimmt 50 unbegleitete Minderjährige. Zudem werden Plätze für Container und Flächen von Bundesunternehmen geprüft. Trotz der Bemühungen ist klar: Die Generallösung in der Flüchtlingsproblematik fehlt weiter. (prj)

Schlimme Zustände in Traiskirchen

 

Regierung will eigene Quartiere schaffen

Nachdem das x-te Asyl-Ultimatum an die Länder am Freitag verstrichen ist, macht die Regierung Ernst: Kanzler und Vizekanzler planen ein Verfassungsgesetz, damit Asylwerber – notfalls auch gegen den Willen der Bürgermeister untergebracht werden können. Das ist der wichtigste Teil des 5-Punkte-Plans, den Werner Faymann (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auf den Tisch legten.

1 Neues Gesetz schafft gerechtere Verteilung

Bis zu 160.000 Plätze? Nach Beschluss des neuen Gesetzes (noch im Sommer) sollen Flüchtlinge ab 1. Oktober vor allem vermehrt in jenen Bezirken und Gemeinden untergebracht werden, die bisher zu wenig bzw. gar keine Flüchtlinge genommen haben – und zwar in Bundesgebäude wie Kasernen usw. Im Auge hat Mitterlehner Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern. Laut Mitterlehner würden bereits 62 Bundesgebäude genutzt ­– 38 weitere würden geprüft. Ziel ist, generell eine Quote von 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung zu erreichen. So könnten notfalls bis zu 160.000 Asylwerber untergebracht werden, wie Mitterlehner vorrechnete. Die Grünen, deren Zustimmung nötig ist, sind gesprächsbereit. Die Länder sind gespalten: Niederösterreichs Erwin Pröll ist dafür, Burgenlands Hans Niessl dagegen. Faymann will das Vorhaben jedenfalls durchziehen – auch wenn er einräumt, dass es sich um einen schweren Eingriff in die Verfassung handle. Es gebe aber durchaus Bereitschaft der Länder.

2 Mehr Geld für die jugendlichen Flüchtlinge

95 Euro. Der Tagsatz für unbetreute jugendliche Flüchtlinge wird von 77 auf 95 Euro angehoben – da nimmt die Regierung 32 Millionen Euro in die Hand.

3 Traiskirchen soll sofort entlastet werden

2.000 Plätze weniger. Mehr als 2.000 Asylwerber sollen bis kommenden Mittwoch aus Traiskirchen weggebracht werden (Story links).

4 Taskforce wird jetzt 
regelmäßig tagen

5 Minister. Die Taskforce wird nach jedem Ministerrat die Lage beraten. Mit dabei: Kanzler und Vizekanzler, Innenministerin Mikl-Leitner Außenminister Sebastian Kurz sowie Verteidigungsminister Klug und Kanzleramtsminister Ostermayer.

6 Europäische Asyl-
Lösung angestrebt
 Offensive. Zudem will die Regierung auf EU-Ebene weiter eine gesamteuropäische Lösung sowie Asylquoten durchsetzen.

G. Schröder

 

Pröll: "Situation im Lager 
immer undurchschaubarer"

ÖSTERREICH: Warum der Aufnahmestopp?
Erwin Pröll
: Die gesundheitsbehördliche Untersuchung ließ keine andere Möglichkeit zu. Der Gesundheitszustand der Angetroffenen war zwar stabil, aber es waren 100 Asyl-Werber, die registriert waren, einfach nicht auffindbar. Hier gibt es also ein großes Restrisiko, denn die meisten Asylwerber kommen ja aus Ländern mit sehr instabilen Gesundheitsverhältnissen. Die Lage wird immer unüberschaubarer.

ÖSTERREICH: Wie sind die hygienischen Zustände?
Pröll
: Schlimm. Und je unübersichtlicher die Lage, desto schlimmer die hygienischen Verhältnisse.

ÖSTERREICH: Wie schnell kann das Lager entlastet werden?
Pröll: In einem ersten Schritt müssen die 2.000 ohne Bett auf die Länder verteilt werden. Das muss noch kommende Woche passieren. Niederösterreich wird davon allein 550 Asylwerber zur Unterbringung in anderen Quartieren anfordern, aber da müssen alle Länder mitziehen.

ÖSTERREICH: Was sagen Sie zum Regierungsplan?
Pröll: Da bin ich vollkommen d’accord. Ich begrüße hier das Durchgriffsrecht des Bundes. Sie wissen, ich bin ein großer Föderalist, aber hier darf Föderalismus nicht das Argument sein. Hier muss das ganze Land zusammenstehen und das Staatsganze überwiegen. Eine Ausnahmesituation erfordert vorübergehend Ausnahmeregeln.

 

Niessl: "Ich halte das Gesetz für problematisch"

ÖSTERREICH: Die Regierung will ein Gesetz, mit dem sie Bundesquartiere für Flüchtlinge schaffen kann – notfalls gegen die Bürgermeister.
Hans Niessl: Dieser Plan ist schon in der Vergangenheit diskutiert worden. Man hat das damals nicht gemacht, weil in die Gemeindeautonomie eingegriffen würde. Dazu braucht der Bund eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Ich sehe das problematisch, weil die Einbeziehung der Bürgermeister aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig ist

ÖSTERREICH: Also sind Sie klar dagegen?
Niessl: Ich halte das Gesetz für problematisch und sehen es kritisch, weil damit die Gemeindeautonomie untergraben wird und die Bürgermeister nicht in dem Umfang einbezogen werden, wie es nötig wäre.

(gü)

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