Kanzler und Vizekanzler können sich künftig ihre Vertretung aussuchen. Die Opposition ist empört.
Die Änderung bei der gegenseitigen Vertretung der Regierungsmitglieder stößt auf Unverständnis und Ärger. Denn künftig sollen auch Staatssekretäre aus anderen Ressorts den Bundeskanzler oder den Vizekanzler vertreten können. Als "grotesk" hat der Verfassungsrechtler Heinz Mayer diesen SPÖ-ÖVP-Antrag auf Änderung des Bundesverfassungsgesetzes bezeichnet.
Konkret geht es darum, dass künftig Kanzler und Vizekanzler sich nicht nur durch ihre ihnen beigegebenen Staatssekretäre vertreten lassen können, sondern auch durch "Staatssekretäre, die jeweils dem anderen beigegeben sind". Das heißt, der schwarze Vizekanzler Finanzminister Wilhelm Molterer muss sich nicht durch den roten Staatssekretär Christoph Matznetter vertreten lassen, sondern kann auch den - im Bundeskanzleramt angesiedelten - ÖVP-Sportstaatssekretär Reinhold Lopatka diese Aufgabe erledigen lassen.
Lieber gleiche Parteifarbe
Mayer kritisierte, dass damit Rot und
Schwarz wieder die Zwei-Drittel-Mehrheit ausnützen und "halt gleich eine
tagesaktuelle Problematik in die Verfassung schreiben". Grotesk sei die
Sache auch deshalb, weil einerseits ein "Vizekanzler ja keinen Vertreter
hat" und andererseits "an sich ein Staatssekretär zur Unterstützung seines
Ministers da ist und nicht zur Unterstützung eines fremden Ministers. Der
Staatssekretär soll den eigenen Minister vertreten. Der rote Staatssekretär
im schwarzen Finanzministerium hat aber offenbar ein bissl eine andere
Funktion, der soll der politische Aufpasser für Molterer sein", so Mayer.
Opposition empört
Die Opposition hat im ORF-Radio am
Donnerstag die gegenseitigen Vertretungen kritisiert. Sie warnten vor einem
Rückfall in Zeiten der alten großen Koalition, als SPÖ und ÖVP mit
Zwei-Drittel-Mehrheit Verfassungsänderungen nach Belieben umsetzen haben
können.
Der stellvertretende BZÖ-Klubchef Herbert Scheibner sprach von einer Missachtung des Parlaments. Ein Abgeordneter wolle ja mit einem Regierungsmitglied, mit einem Minister oder dem Bundeskanzler diskutieren und nicht mit jemandem, der von der Materie überhaupt keine Ahnung habe.
Misstrauen von SPÖ und ÖVP
Der Grüne Klubvize Karl
Öllinger meinte, der Plan zeuge von gegenseitigem Misstrauen von SPÖ und
ÖVP. Und Norbert Hofer von der FPÖ wirft den Großparteien vor,
Wahlversprechen, wonach die kleineren Fraktionen und Minderheitsfraktionen
im Parlament anzuerkennen sind, gebrochen zu haben.