Russischer Botschafter im Ministerium

Außenministerium fordert Freilassung von Nawalny

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Russlands Botschafter im Außenministerium in Wien ++ EU-Außenbeauftragter Josep Borrell in Moskau erwartet ++ Russische Medien kritisieren Polizei ++ Nawalny-Vertraute angeklagt.

Österreich fordert die sofortige Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny. Das teilte das Außenministerium am Donnerstag nach einem Treffen mit dem russischen Botschafter Dmitri Ljubinski in Wien mit. Kurz vor einem geplanten Besuch in Moskau sah der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die internationale Kritik am Gerichtsverfahren gegen Nawalny nicht als Einmischung in russische Angelegenheiten an. Zudem gab es Kritik am Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten.

Russischer Botschafter Ljubinski in Wien

"Es wurde erneut die sofortige Freilassung von Alexej Nawalny und die Wahrung internationaler Standards zu Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit gefordert, zu denen sich auch Russland verpflichtet hat", sagte eine Außenamts-Sprecherin. Nachdem Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Mittwoch medial die Einladung eines russischen Vertreters angekündigt hatte, war Ljubinski am Donnerstagvormittag im Außenministerium in Wien zu Gast.

Insbesondere sei dabei die Einhaltung von Grundrechten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingefordert worden. Im Gespräch sei "sehr offen und deutlich" Österreichs Position in Grundrechtsfragen kommuniziert worden, erklärte die Sprecherin weiter.

Russland will Nawalny-Urteil nicht kommentieren

Der Sprecher der russischen Botschaft wollte am Donnerstagnachmittag auf APA-Nachfrage das Gespräch nicht kommentieren. Botschafter Ljubinski hatte jedoch bereits am Mittwochabend in der russischen Nachrichtenagentur TASS erklärt, dass er keine Grundlage sehe, mit Wien das Gerichtsurteil im Fall Nawalny zu erörtern.

Gleichzeitig hatte er sich darüber beklagt, dass Schallenberg die Einladung in das Ministerium in einem Interview im Ö1-Mittagsjournal bekannt gemacht habe und die russische Botschaft darüber zunächst nicht direkt kontaktiert worden sei.

Kreml will keine Einmischung aus dem Ausland

"Es geht hier um die Einhaltung universeller Prinzipien und internationaler Verpflichtungen", sagte Borrell kurz vor seinem Besuch in der russischen Kapitale. Der Kreml verteidigte indes weiter das harte Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, die Nawalnys Freilassung gefordert hatten.

"Es gibt keinerlei Repressionen", konterte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Es gibt Maßnahmen, die von der Polizei im Zusammenhang mit Gesetzesbrechern ergriffen werden." Russland will auf ausländische Kritik nicht reagieren und verbietet sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten.

Bis zu 7.000 Festnahmen bei den letzten Protesten

Nach dem Richterspruch gegen Nawalny hatte es vor allem in der Hauptstadt Moskau und in St. Petersburg am Dienstagabend spontane Massenproteste mit teils massiver Polizeigewalt und Verletzten gegeben. Laut Bürgerrechtlern soll es bisher rund 7.000 Festnahmen gegeben haben.

Haftanstalten wegen festgenommer Demonstranten überfüllt

Mancherorts wurden so viele Demonstranten festgenommen, dass die jeweiligen Haftanstalten überfüllt seien, gab der Kreml bekannt. Laut Menschenrechtsgruppen setzen die Moskauer Behörden Gesichtserkennungskameras ein, um Demonstranten während Kundgebungen zu identifizieren. Mit mehr als 105.000 Kameras verfügt die russische Hauptstadt über eines der weltweit umfassendsten Überwachungssysteme.

Kritik von Medien nach Journalisten-Verhaftung

Russische Medien kritisierten am Donnerstag das Vorgehen der Sicherheitskräfte scharf und verurteilten die Festnahme eines Journalisten im Zusammenhang mit den Protesten gegen Präsident Wladimir Putin. Die Festnahme des Chefredakteurs der Nachrichtenplattform "Mediasona", Sergej Smirnow, sei ein "Einschüchterungsversuch gegenüber allen anderen Journalisten", schrieb die Zeitung "Kommersant". Das Blatt forderte ebenso wie mindestens 20 weitere Medien die Freilassung Smirnows.

Auch der Fernsehsender RTVI kritisierte die Festnahme Smirnows. Der "Mediasona"-Chefredakteur war wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht festgenommen und zu 25 Tagen Haft verurteilt worden. Er hatte eine Twitter-Botschaft weiterverbreitet, die neben satirischer Bemerkungen auch einen Aufruf zur Teilnahme an den Protesten für Nawalny beinhaltete.

Nawalny-Anhängerin nach Protestaufruf angeklagt

Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen Nawalny-Anhänger geht unterdessen munter weiter. Seine Vertraute Ljubow Sobol wurde wegen eines Verstoßes gegen die Corona-Auflagen angeklagt, weil sie laut ihrem Anwalt im vergangenen Monat zu einem landesweiten Protest aufgerufen hatte. Der Fall ist Teil des Vorgehens der Polizei gegen Nawalny-Verbündete, die gegen die Inhaftierung des führenden Oppositionellen Tausende Menschen mobilisieren.

Europarat fordert von Russland Einhaltung der Menschenrechte

Der Europarat forderte die russischen Behörden auf, sich an ihre internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte zu halten. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung der Europarat-Generalsekretärin, Marija Pejčinović Burić, des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, Rik Daems, und des Repräsentanten des deutschen Europaratvorsitzes, Staatsminister Michael Roth, bringen die drei ihr Bedauern über die Verurteilung Nawalnys zum Ausdruck. Sie kritisierten zudem die massenhaften und teils brutalen Festnahmen von Demonstranten.

Nawalny zu dreieinhalb Jahren Straflager verurteilt

Auf Putin-Widersacher Nawalny war im August ein Giftanschlag verübt worden. Nach seiner Behandlung und Genesung in Deutschland wurde er bei seiner Rückkehr nach Russland im Jänner umgehend festgenommen.

Am Dienstag war Nawalny zu dreieinhalb Jahren Straflager-Haft verurteilt worden, weil er aus Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen hat. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und Haftzeiten angerechnet, so dass seine Anwälte von zwei Jahren und acht Monaten im Straflager ausgehen.

Er käme damit im Oktober 2023 wieder frei. Das Urteil war international vielfach als politisch motiviert kritisiert worden.
 

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