Vor dem Besuch des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier richtet Alexander Van der Bellen in einer gemeinsamen Erklärung einen klaren Appell an die Europäerinnen und Europäer: Europa müsse sich in der neuen Weltlage neu aufstellen.
Nach zwei Weltkriegen, unzähligen Toten und Zerstörung habe sich Europa zu einem „Projekt des Friedens und der Stabilität“ entwickelt, so Van der Bellen. Das Schreiben liegt oe24 vor. Seit sieben Jahrzehnten herrsche zwischen den Staaten, die sich am europäischen Projekt beteiligen, Frieden.
"Viele halten das für selbstverständlich"
Doch: „Viele halten dieses Wunder für selbstverständlich, für gegeben, für unumkehrbar. Welch ein Irrtum!“, warnt der Bundespräsident. Allein der Blick zurück, so stolz er mache, reiche nicht mehr aus.
Krieg & Unsicherheit
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine sei „der Angriffskrieg auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt“ – ein Angriff, der der europäischen Friedensordnung gelte. Gleichzeitig werde deutlich, dass sich Europa nicht länger auf die transatlantische Sicherheitsarchitektur verlassen könne.
„Wir Europäer müssen selbst für unseren Schutz sorgen, unsere eigene Verteidigungsfähigkeit und Abschreckung glaubhaft stärken“, fordert Van der Bellen. Auch Großbritannien und Norwegen hätten in diesem Sicherheitsgefüge eine zentrale Rolle. „Für dieses Ziel müssen und werden wir als Europa einen größeren Beitrag leisten.“
Europa muss sich ändern
Sicherheit beginne im Inneren, betont der Präsident. „Sagen wir den Bürgerinnen und Bürgern Europas klar, warum diese Entscheidungen getroffen werden müssen.“ Europa brauche eine mutigere, proaktive Außenpolitik – gegründet auf europäischen Werten, aber mit realistischem Blick auf die Welt.
„Wenn die Weltlage sich verändert, dann muss sich auch Europa verändern. In der geopolitischen Zeitenwende, die wir erleben, muss Europa sich neu erfinden“, so Van der Bellen weiter. Dafür brauche es „neue Zuversicht, neuen Mut und die feste Entschlossenheit“, die Errungenschaften des europäischen Projekts zu bewahren.
„Unsere Art zu leben ist in Gefahr“
Jede Bombardierung ukrainischer Städte, jeder Cyberangriff teste den europäischen Zusammenhalt. „Wenn wir uns auseinanderdividieren lassen, ist unsere Art zu leben in ernsthafter Gefahr“, mahnt Van der Bellen. Er stellt klar: „Wer an den Vorteilen der Europäischen Union teilhaben will, kann nicht gleichzeitig die Grundprinzipien der liberalen Demokratie infrage stellen.“
"Staaten gefährden die EU von innen"
Staaten, die größere Nähe zu Autokratien verspürten, gefährdeten die EU von innen. Damit wohl möglicherweise Ungarn gemeint - vor allem im Kontext des bevorstehenden Treffens von Putin und Trump in Budapest. Ziel des Treffens: Ein neuer Verhandlungsversuch zur Beendigung des Ukraine-Kriegs, dem allerdings viele skeptisch gegenüberstehen.