Zwei Tage lang kämpfte die ÖVP mit der Entscheidung. Die Wut auf die FPÖ.
Wien. Kanzler Sebastian Kurz durchlebte 48 Stunden als Wechselbad der Gefühle. Am Samstag um 16 Uhr verkündete er intern das Koalitionsende, um 19.50 Uhr machte er es offiziell.
Donnerstag: Kurz erfährt von dem Skandalvideo
Konfrontation. Bereits am Donnerstag erfährt Sebastian Kurz, dass es ein Video geben würde, das seinen Vizekanzler massiv belaste. Er trommelt seine Berater zum ersten Mal im Kanzleramt zusammen. Ganz genau weiß keiner, was auf dem Film zu sehen sein wird. Aber es sei „schlimm“, wird dem VP-Kanzler gesagt. In der ÖVP schrillen alle Alarmglocken. Strache soll auf dem Video auch Kurz beschimpfen.
Freitag: Kurz sagt: »Tritt zurück oder Entlassung«Der Schock. Freitag am frühen Nachmittag sieht Kurz schließlich das ganze Video, in dem FPÖ-Chef Strache einer vermeintlichen Russin de facto Staatsaufträge für Millionenspenden verspricht. Die ÖVP-Spitzen befragen den Verfassungsdienst und Anwälte. Einige sehen ein potenziell strafrechtlich relevantes Verhalten von Strache. Der VP-Chef sagt den Seinen deutlich:
„Strache muss gehen.“ Noch überlegt man, mit FP-Minister Norbert Hofer als neuem Vizekanzler weiterzumachen.
Die Drohung. Der türkise Regierungschef teilt seinem Koalitionspartner um 19 Uhr mit: „Strache muss zurücktreten, oder ich entlasse ihn.“ Das sagt er auch Strache.
Kurz telefoniert mit seinen Landeschefs, berät sich mit seinem engsten Team und Ministern. Niederösterreichs VP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner soll gleich gesagt haben: „Du musst die Koalition platzen lassen.“
ÖVP ringt um Fassung und um Ende der Koalition
Unsicherheit. Es ist 20 Uhr und im Kanzleramt sitzt das Kabinett von Kurz, seine Berater und Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Kurz hört, dass Strache sich weigere, zurückzutreten. Sein Ärger nimmt zu. Erstmals wird offen über Neuwahlen geredet. Kurz telefoniert auch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Internationale Parteifreunde des Kanzlers melden sich. Einzelne Berater raten Kurz – so knapp vor der EU-Wahl – von dem Koalitionsende ab. Samstagfrüh sagen immer mehr VPler Kurz: „Es reicht mit der FP. Da wird noch mehr kommen.“
Kurz sitzt im Kanzleramt. Und plant den Wahlkampf.
Insider: Isabelle Daniel