Chronologie

Die unendliche Ortstafelgeschichte

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Im Staatsvertrag von 1955 wurden den Kärntner Slowenen unter anderem zweisprachige Ortstafeln zugesichert. Passiert ist wenig.

Die in den 70er Jahren festgelegte 25 Prozent-Hürde für die Errichtung der Ortsschilder war verfassungswidrig und wurde 2001 aufgehoben - eine Reparatur ist bisher ausgeblieben. Ein neues Volksgruppengesetz haben weder schwarz-blau noch schwarz-orange zu Stande gebracht, eine Lösung per Verfassungsgesetz scheiterte am Nein von Slowenen und SPÖ.

Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) versuchte zuletzt, mit teils verfassungswidrigen Umgehungsvarianten (Ortstafelverrückungen, Zusatzschilder) die Aufstellung zusätzlicher Schilder zu verhindern. Eine Chronologie:

1955:
Im Staatsvertrag sichert Österreich den Slowenen und Kroaten in Kärnten, Burgenland und der Steiermark besondere Minderheitenrechte zu. Der Artikel 7 sieht zweisprachige topographische Aufschriften im gemischsprachigen Gebiet vor, ohne dieses jedoch genauer zu definieren.

Juli 1972:
Die Regierung Kreisky beschließt die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in 205 Kärntner Ortschaften mit zumindest 20 Prozent Anteil slowenischsprachiger Bevölkerung.

September 1972:
Die ersten Tafeln werden in Südkärnten aufgestellt. Es folgt der so genannte "Ortstafelsturm", bei dem "Deutsch-Kärntner" die Schilder demontieren. Die Aufstellung weiterer Tafeln wird gestoppt.

Juli 1976:
Im Volksgruppengesetz wird ein Slowenen-Anteil von 25 Prozent als Voraussetzung für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln festgelegt.

Mai 1977:
Die Topographieverordnung sieht 91 zweisprachige Ortstafeln vor. Sie werden allerdings nie vollständig errichtet.

Ende 2000:
Mit der Aufstellung der ersten deutsch-kroatischen Ortstafeln im Burgenland entflammt auch in Kärnten die Debatte neu. Kärntner Slowenen fordern eine Novellierung des als zu restriktiv empfundenen Volksgruppengesetzes, der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider lehnt das ab.

Dezember 2001:
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bezeichnet die 25 Prozent-Quote als zu hoch und hebt Teile des Volksgruppengesetzes 1976 und der Topographieverordnung 1977 auf. Ermöglicht hatte dies der Slowenenfunktionär Rudi Vouk, der ein Strafmandat im einsprachig beschilderten Ortsgebiet von St. Kanzian beim VfGH bekämpft hatte. Haider reitet wütende Attacken auf VfGH-Präsident Ludwig Adamovich.

September 2002:
Kanzler Schüssel beruft drei "Konsenskonferenzen" unter Beteiligung des Bundes, der Kärntner Parteien sowie der Slowenen-Organisationen und der Heimatverbände ein. Die Gespräche scheitern letztlich am Nein der Slowenen-Vertreter, die den Kompromissvorschlag (insgesamt 148 zweisprachige Ortstafeln) für unzureichend halten.

April 2005:
Der von Schüssel beauftragte Historiker Stefan Karner präsentiert einen neuen Kompromissvorschlag. Das so genannte Karner-Papier sieht 158 zweisprachige Ortstafeln vor.

Mai 2005:
Als Ergebnis der "Kärntner Konsenskonferenz" werden erstmals seit 1977 neue zweisprachige Ortstafeln errichtet. Zuvor waren mehrere Konsenskonferenzen in Wien ohne Ergebnis geblieben, eine Einigung scheiterte am Veto des Kärntner Abwehrkämpferbundes und Haiders. Damit stehen 77 der 91 vorgesehen Schilder. Allerdings lässt Haider die gemeinsam mit Schüssel errichteten Tafeln knapp eineinhalb Jahre später teilweise wieder abmontieren.

Dezember 2005:
Der Verfassungsgerichtshof gibt einer neuerlichen Beschwerde des Slowenen-Vertreters Vouk Recht und fordert die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln in Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf bis Ende Juni 2006.

Februar 2006:
Haider will die VfGH-Entscheidung umgehen, indem er die Ortstafeln von Bleiburg verrücken lässt. Der VfGH beurteilt dies später als unzulässig.

Mai 2006:
Eine geplante Volksbefragung Haiders wird von der Kärntner Landeswahlbehörde abgelehnt. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) schickt eine Verordnung in Begutachtung, die bis Ende 2009 in Kärnten insgesamt 158 zweisprachige Ortstafeln vorsieht.

Juni 2006:
ÖVP, BZÖ und SPÖ streben eine verfassungsrechtliche Lösung der Ortstafelfrage an. ÖVP und BZÖ beschließen die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in insgesamt 93 Kärntner Ortschaften, darunter Bleiburg und Ebersdorf. Bis 2009 ist eine Aufstockung auf 141 geplant, die aber erst gemeinsam mit einer verfassungsrechtlichen Lösung der Ortstafelfrage beginnen soll.

Juli 2006:
Die Verfassungsänderung scheitert an der so genannten "Öffnungsklausel". Sie soll ab 2009 weitere zweisprachige Ortstafeln ermöglichen, wird jedoch von zwei der drei Slowenen-Organisationen als unzureichend empfunden. Daraufhin entzieht auch die SPÖ dem Kompromiss ihre Zustimmung. Eine Lösung ohne Verfassungsänderung lehnen wiederum ÖVP und BZÖ ab.

August 2006:
Im anlaufenden Nationalratswahlkampf setzt Haider in der Ortstafelfrage wieder auf Härte und erfindet eine neue Umgehungsmöglichkeit für die Ortstafelreglung: Unter dem Motto "Kärnten wird einsprachig" lässt er zweisprachige Ortstafeln entfernen und durch deutsche Ortsschilder mit kleiner slowenischer Zusatztafel ersetzen.

Dezember 2006:
Der Verfassungsgerichtshof prüft diese Umgehungsvariante.

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