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EU-Vertreter in Österreich "fassungslos" über SPÖ-Schwenk

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Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Wien ist "fassungslos" angesichts des europapolitischen Kurswechsels der SPÖ.

Georg Doutlik stört "ganz besonders die Form der Ankündigung". Ihm fehle "das Verständnis vollkommen, wie man für kurzfristige Überlegungen derart langfristige Schäden in Kauf nehmen kann", hoffte Doutlik am Dienstag dennoch auf einen "heilsamen Schock".

"Angst vor der 'Krone' verhindert Sachpolitik"
Der Leiter des österreichischen Informationsbüros des EU-Parlaments, Wolfgang Hiller, hält den SP-Schwenk für "legitim, aber nicht hilfreich". Dass er über einen Brief von SP-Chef Werner Faymann und Kanzler Alfred Gusenbauer (S) an den Herausgeber der "Kronen"-Zeitung angekündigt wurde, darüber solle "sich jeder selbst ein Urteil bilden", meinte Hiller. "Jeder muss selbst verantworten, welche Form der Kommunikation er wählt."

Deutlicher wurde der scheidende Kommissionsvertreter in Wien: "Die Angst vor der 'Krone' verhindert Sachpolitik." Die pro-europäische Politik gehe unter, so Doutlik. Politiker trauten sich nichts mehr zu erklären aus Angst vor negativer Berichterstattung im meistgelesenen Kleinformat Österreichs. Dies Hürde müsse überwunden werden, forderte Doutlik, der mit Ende Juli nach Brüssel zurückkehrt.

Die überraschende Neupositionierung der Sozialdemokraten, künftig das österreichische Volk über EU-Verträge abstimmen zu lassen, sieht Doutlik im Licht der "innerparteilichen und innenpolitischen Situation". Es handle sich um eine "Entscheidung, die wohl zwei Herren offensichtlich alleine getroffen haben", macht der Kommissions-Vertreter keinen Hehl aus seiner Missbilligung.

Hiller betonte, alle europäischen Institutionen seien sich im Klaren, dass mehr getan werden müsse, um "Europa zu kommunizieren". Ob eine Volksabstimmung dem zuträglich sei, könne er nicht zweifelsfrei sagen, meinte Hiller sinngemäß. "Das eine hat mit dem anderen nicht notwendigerweise etwas zu tun."

Nicht grundsätzlich gegen Volksabstimmungen
Beide wiesen darauf hin, dass EU-Politik auch ohne nationale Referenden demokratisch sei und der in Irland abgelehnte EU-Reformvertrag gerade mit dem Instrument der europaweiten Bürgerinitiative ein Element direkter Demokratie bringen soll. "Wir entscheiden gemeinsam auf europäischer Ebene", unterstrich Doutlik, dass hiesige Minister und Parteien verantwortlich für Entscheidungen auf EU-Ebene seien. "Ich bin nicht gegen Volksabstimmungen, wenn erstens gewährleistet ist, dass die Leute unabhängig von innenpolitischen Themen über die Sache abstimmen und zweitens über europaweite Themen auch europaweit abgestimmt wird."

"Wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, wie wir alle hoffen, wird das Europäische Parlament weiter gestärkt sein", verwies Hiller seinerseits auf ein Mehr an repräsentativer Demokratie auf EU-Ebene. Es werde zusehends ein Zwei-Kammern-Parlament, in dem sich Staatenvertreter im Rat und EU-Parlamentarier "auf Augenhöhe" gegenüberstünden. "Ich fordere auf, an den Europawahlen 2009 teilzunehmen, und dort seine Meinung zu äußern", appellierte Hiller, von den bereits jetzt zur Verfügung stehenden Mitspracherechten Gebrauch zu machen.

"Informieren, was in Brüssel geschieht"
Von den österreichischen Politikern fordern Hiller wie Doutlik einstimmig, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und in Österreich zu berichten, was sie in Brüssel tun. "Alle Fachminister sind gefordert", schlug Doutlik etwa vor, dass sie - aber auch Österreichs EU-Parlamentarier - vor und nach jedem Ministerrat bzw. Parlamentssitzung zum Rapport antreten. "Sie sind sonst auch nicht so schüchtern, Erfolge zu verkaufen", schlug Hiller in die gleiche Kerbe.

"Wir sind allein zu schwach und werden zu sehr als Partei gesehen", sieht Doutlik die EU-Vertretungen in Wien dabei manchmal alleingelassen - wenngleich er Mängel auch bei der eigenen Institution nicht schönreden will: So kenne er nur einen Fall, in dem die vor Jahren beschlossene Veröffentlichung einer "Laienzusammenfassung" von EU-Richtlinien auch umgesetzt worden sei. "Auch die Kommission hat manche ihrer Aufgaben noch nicht gemacht."

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