Wahlzuckerl

Faymann will mit Opposition Beschlüsse fassen

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Die SPÖ hat überraschend das Stillhalteabkommen mit der ÖVP aufgehoben. Die ÖVP wirft Faymann jetzt Wortbruch vor.

Faymann will am 18. September einen ganz besonderen Coup landen: Er will die Steuer auf Lebensmittel noch vor der Wahl halbieren. Doch das ist nicht der einzige Beschluss, der für den 18. September im Zuge der Sondersitzung des Parlaments fallen soll. Um das möglich zu machen, hat er am Montag das Stillhalteabkommen mit der ÖVP aufgekündigt. Dieses besagt, dass sich die Parteien nicht gegenseitig überstimmen dürfen. Dies gilt jetzt nicht mehr! Der Weg für diverse Beschlüsse, die er allein mit Stimmen aus der Opposition fällen kann, ist jetzt also frei. Obendrein droht jetzt ein heftiger Wahlkampf.

Das will Faymann am 18. September beschließen:

  • Er will die Steuer auf Lebensmittel halbieren.
  • Er will jeder Familie (auch mit Kindern unter sechs Jahren) noch im Oktober eine 13. Familienbeihilfe auszahlen.
  • Er will die Erhöhung des Pflegegeldes.
  • Er will die Abschaffung der Studiengebühren.
  • Er will die Verlängerung der Hacklerregelung bis 2013.

Und hier lesen Sie die Kosten des geplanten Entlastungspaketes. Es verschlingt die Hälfte der geplanten Steuerreform.

"Wir sind für die Bevölkerung verantwortlich"
SPÖ-Obmann Werner Faymann rechtfertigte im Ö1-"Mittagsjournal" seinen Schritt, das "Stillhalteabkommen" mit der ÖVP aufzukündigen: "Die ÖVP hat uns den Sessel vor die Tür gestellt und Neuwahlen ausgerufen und ist nicht bereit gegen die Teuerung mehr Taten zu setzen als in den genannten zwei Punkten. Wir haben uns wahnsinnig engagiert und bemüht. Wir sind in erster Linie der Bevölkerung verantwortlich".

Er wünsche sich, dass die ÖVP "in einigen dieser Punkte mitstimmt", auch, dass sich die Grünen oder andere Parteien überlegen, mitzustimmen, so Faymann.

Vorziehen der Steuerreform
Faymann nannte das Paket "Vorziehen der Steuerreform". Für diese war ursprünglich ein Volumen von 2,7 Mrd. Euro vorgesehen. Finanzminister Wilhelm Molterer hatte bereits betont, aus diesem Grund das Nulldefizit 2010 nicht zu erreichen.

Wahlzuckerln kosten mindestens 1,3 Milliarden Euro
Den größten Brocken des Entlastungspakets macht die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aus: 750 Mio. Euro sollen die Kosten dafür jährlich betragen. Durch die Abschaffung der Studiengebühren würden dem Staat 150 Mio. Euro entgehen, durch die Erhöhung des Pflegegeldes 120 Mio. Euro. Weiters auf der roten Vorhabenliste: Die 13. Familienbeihilfe für Kinder sowohl unter als auch über sechs Jahren (245 Mio. Euro). Die Verlängerung der Hacklerregelung bis 2013 ist bei den 1,3 Mrd. Euro noch nicht miteingerechnet.

ÖVP "angefressen"
Der Noch-Koalitionspartner zeigte sich wenig erfreut. Für Molterer gilt nach eigenen Aussagen nach wie vor der Koalitionsvertrag, auch halte man sich an Vereinbarungen. Ein Nein zu den SPÖ-Alleingängen gab es auch von Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Er reihte den Vorschlag in die Kategorie "sündteurer aber wirkungsloser Sozialpopulismus" ein. Für ÖVP-Finanzsprecher Günther Stummvoll hat Faymann den Todesstoß für jegliche Steuerentlastung in den kommenden Jahren gesetzt.

Molterer wirft Faymann "Wortbruch" vor
ÖVP-Obmann zeigte sich erzürnt: Er werfen Faymann "Wortbruch" vor. "Es ist vereinbart gewesen und er hat selber gesagt, es ist eine Frage des politischen Anstandes, die Zeit bis zur Wahl gemeinsam zu bewältigen. Er hält sich nicht an das Wort, er setzt damit die Tradition von Gusenbauer fort, und ich bedauere das", so Molterer. Für Donnerstag ist ein Treffen zwischen Faymann und Molterer angesetzt.

Wer geht mit SPÖ?
Spontane Zusagen, was eventuelle Mehrheiten betrifft, blieben vorerst in großem Maß noch aus. Lediglich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kündigte an, an einer "umfassenden Entlastungsoffensive" mitzumachen. Grünen-Bundessprecher Alexander van der Bellen freute sich zumindest über das Vorhaben, die Studiengebühren abzuschaffen. Das will das BZÖ wiederum nicht, sondern lediglich bei Lehrlingen, die die Matura machen, sagte deren Spitzenkandidat Jörg Haider.

Kluft zwischen SPÖ und ÖVP wird größer
Die Kluft zwischen den Noch-Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP vertieft sich knapp fünf Wochen vor den Wahlen weiter. SPÖ-Klubchef Josef Cap verteidigte das vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Werner Faymann aufgekündigte Stillhalteabkommen und betonte, man wolle "freie Mehrheiten" im Parlament für Maßnahmen gegen die Teuerung suchen. Der stellvertretende ÖVP-Klubobmann Günter Stummvoll warf Faymann vor, keine Handschlagqualität zu haben, konnte aber beim Streitgespräch mit Cap in der "ZIB 2" des ORF nicht sagen, ob man einem der von der SPÖ verlangten fünf Punkte zustimmen werde.

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