Treffen in Mailand

Faymanns Poker um Ukraine-Frieden

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EU-Spitzen verhandeln mit Putin und Poroschenko.

Marathon-Verhandlungen über ein Ende des Ostukraine-Konflikts überschatten den europäisch-asiatischen Handelsgipfel in Mailand (ASEM): Staats- und Regierungschefs der EU bearbeiteten Petro Poroschenko und Wladimir Putin seit Donnerstagabend stundenlang in Einzel- und Gruppengesprächen.

Federführend: Deutschlands Angela Merkel und Bundeskanzler Werner Faymann, zusammen mit David Cameron, François Hollande und Matteo Renzi. Ihr Ziel: ein Ende des Blutvergießens (s. Kasten). So lief der Gipfel:

Merkel und Putin sprachen bis tief in die Nacht hinein

  • Putin verspätet sich am Donnerstag, sein Termin mit Merkel platzt. Nach 23 Uhr lädt sie ihn in ein Innenstadt-Hotel. Das Treffen dauert bis zwei Uhr früh. Der Kreml spricht im Anschluss von „ernsten Differenzen“. Putin hängt noch einen zweistündigen Privatbesuch bei Busenfreund Silvio Berlusconi an.
  • Freitag um 8 Uhr früh: Treffen von Putin und Poroschenko mit EU-Spitzenpolitikern. Es dauert doppelt so lang wie anberaumt. Resultat ist nur eine magere Einigung: Man wolle den Friedensplan von Anfang September umsetzen – endlich. Putin habe aber „sehr klar ausgedrückt, dass er keinen Kalten Krieg will, dass er keine geteilte Ukraine haben will“, teilt der britische Premier David Cameron mit. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zeigt sich enttäuscht von den Ergebnissen.
  • Einzeltreffen Faymann und Poroschenko zu Mittag: Der ukrainische Präsident ist „nicht besonders optimistisch“, was eine Einigung im Ukraine-Konflikt anbelangt. Er dankt aber Österreich für seinen Einsatz. Weitere Chance auf den Durchbruch: Das Einzeltreffen Faymann-Putin startet um 16.30 Uhr mit einstündiger Verspätung.

(küe)

Faymann: "Neutral, nicht gleichgültig"

ÖSTERREICH sprach mit Kanzler Werner Faymann, der zwischen den Fronten vermittelte.

ÖSTERREICH: Sie trafen Poroschenko und Putin zu Gesprächen. Kann Österreich in dieser Krise eine echte Rolle spielen?
Werner Faymann: Ja, unsere Vermittlungsrolle wird anerkannt und ernst genommen – von der EU, aber auch von den Präsidenten Putin und Poroschenko. Das liegt auch daran, dass wir nicht bei der NATO sind und nicht vorhaben, der NATO beizutreten.

ÖSTERREICH: Putin vertraut Ihnen deswegen?
Faymann: Nicht nur Putin, auch Poroschenko weiß die aktive Neutralitätspolitik Österreichs zu schätzen. Wir sind neutral, aber nicht gleichgültig. Und wir sind sicher kein Sprachrohr der NATO.

ÖSTERREICH: Ihr Eindruck nach den Gesprächen?
Faymann: Wir haben es in der Ostukraine mit einer humanitären Katastrophe zu tun. Die Waffenruhe hält noch nicht so, wie sie sollte. Angesichts von zig Toten wäre es zynisch, etwas anderes zu behaupten. Die Ukraine wünscht sich stärkere Kontrollen der Grenzen durch Drohnen. Hier können EU und OSZE eine stärkere Rolle spielen. Damit dürfte auch Putin einverstanden sein.

ÖSTERREICH: Putin droht Europa wegen der Sanktionen …
Faymann: Es wäre jetzt ­entscheidend, Energiesicherheit für die Ukraine sicherzustellen, sonst vergrößert sich die humanitäre Krise noch. Das muss gelöst werden. Und da können wir Öster­reicher auch mithelfen. Es geht darum, einen Krieg zu verhindern. Ein Krieg schadet ­Menschen, ich weigere mich, das auf die Wirtschaft zu reduzieren. Es ist eine moralische Pflicht, sich hier zu engagieren. 
 I. Daniel

Kanzler startet 3. Friedensversuch

Seit Mitte September ist der Bundeskanzler an Friedensbemühungen aktiv beteiligt. Die Vermittlungs-Gespräche von Kanzler Werner Faymann in Mailand sind bereits die dritte österreichische Friedens-Initiative binnen weniger Wochen. Am Freitag unterstrich er Österreichs Schlüssel-Rolle im Ö1-Morgenjournal: „Österreich ist ein Land, das sich für den Frieden einsetzt, keinem Militärbündnis angehört und daher auch gar nicht erst unter Verdacht steht, irgendeine NATO-Linie zu vertreten. Deshalb finden wir auch einiges an Gehör.“

Jeder noch so kleine Erfolg in Mailand sei es wert, sich gemeinsam an den Verhandlungstisch zu setzen.

9 Bundesheer-Offiziere für OSZE im Einsatz
Bereits am 20. September erläuterte Faymann in einem Telefonat mit Wladimir Putin die Positionen der EU. Später verhandelte er direkt: Am 1. Oktober reiste er mit einer Delegation nach Kiew zu Gesprächen mit Präsident Petro Poroschenko und Premier Arsenij Jazenjuk.

Auch im Krisengebiet arbeiten Österreicher am Frieden: Neun Bundesheer-Offiziere beteiligen sich an der OSZE-Beobachtermission. Sie überwacht die Waffenruhe vor Ort.

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