Politologe Peter Filzmaier spricht im APA-Interview über die Hofübergabe im roten Süden.
Nach einer Rücktrittsankündigung von Peter Kaiser, die dem Anschein nach "irgendwie passiert" ist, hat Daniel Fellner bei einem Parteitag im September den Kärntner SPÖ-Vorsitz von ihm übernommen. Politologe Peter Filzmaier spricht im APA-Interview über die Hofübergabe im roten Süden, die Chancen des Nachfolgers, warum Andreas Babler mit den Signalen in Richtung FPÖ wenig Freude haben dürfte und was für bzw. gegen einen Präsidentschaftskandidaten Peter Kaiser spricht.
"Es ist zunächst viel zu sehr der Eindruck entstanden, dass Kaisers Rücktrittsankündigung irgendwie passiert ist. Egal ob er missinterpretiert wurde, ihm ein Satz dazu rausgerutscht ist oder es Intriganten im Hintergrund gab – natürlich hätte man die Nachfolgelösung hinter den Kulissen vorbereiten müssen und nicht die Diskussionen darüber auf offener Medienbühne zelebrieren", konstatiert Politologe Filzmaier. Bei Fellners Wahl am Parteitag sei das "Bild des Durcheinanders" wieder geglättet worden. Mit mehr als 96 Prozent der Parteitagsstimmen stehe Fellner vorerst außer Streit.
Eine "Vorentscheidung" hinsichtlich längerfristiger Einigkeit falle bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen voraussichtlich im Februar 2027. Filzmaier: "Im Fall guter Ergebnisse für die SPÖ haben Siege viele Väter, und Fellner kann sich bei Erfolgen mitsonnen. Niederlagen sind aber ein Stiefkind, also wird ihm im Fall von Misserfolgen etwa in Klagenfurt sicher parteiintern eine Mitschuld zugeschrieben, ob er nun etwas dafür kann oder nicht." Letztlich entscheide sich Fellners Image genauso wie der Schulterschluss seiner Partei aber am Tag der Landtagswahl im Frühjahr 2028. "Da ist er entweder Gewinner des Tages oder steht als großer Verlierer da, und muss aufpassen, dass nicht Parteifreunde 'voll hinter ihm stehen' und das in Wahrheit als gefährliche Drohung meinen."
"Popularität bei Wechselwählern" entscheidend
Fellner müsse schlüssig die banale Frage beantworten, warum die Wählerschaft gerade ihn ganz besonders gut finden sollte. "Es geht ja nicht darum, dass er selber das allzu offensichtlich tut, weil er gar so sehr von sich überzeugt ist. Es ist auch letztlich egal, ob er in der SPÖ beliebter als parteiinterne Konkurrenten ist. Er muss an seiner Popularität bei Wechselwählern arbeiten. Kaiser hat diese Breitenwirkung gehabt, ob Fellner das in auch nur annähernd vergleichbarer Form jemals schafft, das ist die große Unbekannte."
"Peter Kaiser lag in der fiktiven Landeshauptmannfrage - wenn also die Kärntner den Landeschef direkt wählen könnten - immer besser als seine Partei. Sowohl 2018 als auch 2023 wurde unter Wählerinnen und Wählern der SPÖ Kaiser im Vergleich zu den inhaltlichen Standpunkten der Partei doppelt bis dreimal so oft als Wahlmotiv genannt." Fellner müsste sich den exzellenten Imagewerten seines Vorgängers "erst einmal wenigstens annähern". Das werde sehr schwierig. "Natürlich kann aber auch niemand heute mit Sicherheit behaupten, dass er das nicht schafft. Wir wissen es schlicht noch nicht. In seiner Zeit als einfacher Landesrat für Gesundheit und Sport bis 2010 galt Kaiser schließlich auch noch nicht als zukünftiger Strahlemann."
Kaiser sei in Kärnten zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, verkörperte "die Gegenthese zu populistischen Volkstribunen als Landeshauptleute". Er habe nie Brandreden als Rundumschlag gegen andere Politiker gehalten, keine allzu bombastischen Wahlversprechen gemacht, und sei stets um Sachlichkeit und einen demokratiepolitischen Grundkonsens bemüht gewesen. "Das kam in Kärnten gut an, nachdem das Land infolge des Hypo-Alpe-Adria-Skandals und jahrzehntelangen sündteuren Inszenierungen der Politik mit mehreren Korruptionsfällen politisch und finanziell am Rande des Abgrunds stand. Da war ein manchmal fast spröder Typ wie Kaiser gefragt." Dieser habe zudem immer das große Ganze, die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, im Blick gehabt und nicht nur als Parteipolitiker agiert.
Kaiser als geeigneter Präsidentschaftskandidat
Das mache Kaiser auch zu einem geeigneten Präsidentschaftskandidaten, attestiert Filzmaier. Zwei Aspekte würden seine Erfolgschancen allerdings einschränken: "Erstens würde es natürlich helfen, aus einem großen Bundesland zu kommen, und dort möglichst viele Stimmen zu holen. Ein Niederösterreicher etwa hat allein deshalb bessere Chancen, weil es in seiner Heimat 1,3 Millionen Wahlberechtigte gibt und in Kärnten nur etwa 430.000. Denselben Nachteil hat Kaiser gegenüber jemand aus Wien mit über 1,1 Millionen Wahlberechtigten." Zweitens dürfe die SPÖ nicht den gleichen Fehler wie bei Rudolf Hundstorfer 2016 machen: "Es genügt bei weitem nicht, auf jahrzehntelange politische Verdienste eines Präsidentschaftskandidaten zu verweisen. Kaiser müsste seine Zukunftsvision für ein modernes Amtsverständnis als Bundespräsident entwickeln. Solche großen Zukunftsmodelle waren bisher aber nicht seine Stärke."
Was wäre der ideale Zeitpunkt für die Übergabe des Landeshauptmannsessels? Filzmaier: "Kaiser muss natürlich das Amt rechtzeitig übergeben, damit Fellner sich profilieren kann. Zwei Jahre vor der Landtagswahl 2028, das könnte jedoch fast zu früh sein. Denn überall und auch in Kärnten gilt es ja zunächst unpopuläre Sparmaßnahmen und vielleicht Umstrukturierungen durchzuführen und zu kommunizieren. Sollten beispielsweise die Gesundheitskompetenzen vom Land Kärnten in die Zuständigkeit des Bundes übergehen, wäre das für Fellner eine heikle Sache." Kaiser hätte das noch übernehmen können. "Aber zugegeben: Das Lehrbuch politischer Kommunikation würde eine Amtsübergabe ein gutes Jahr vor der Landtagswahl empfehlen, aber die SPÖ kann natürlich nicht mitten im Gemeinderatswahlkampf eine Amtsübergabe von Kaiser an Fellner planen."
FPÖ-Annäherung schadet Babler
Bundesparteichef Andreas Babler schade Fellner durch offensichtlichen Widerspruch im Verhältnis zur FPÖ, so Politologe Filzmaier. "Die Frage ist nur, ob das für Fellner von Bedeutung ist. Babler ist schon jetzt laufend mit unangenehmen Fragen konfrontiert, was er denn dazu meine, dass in Kärnten eine Koalition von SPÖ und FPÖ - womöglich in umgekehrter Reihenfolge - nicht auszuschließen ist. Diese Debatte kann der von Babler geführte linke Flügel der SPÖ nicht brauchen."
"Fellner hingegen fängt mit jedem zu streiten an, der meint, er hätte nicht das gleiche Verhältnis zur FPÖ wie Peter Kaiser und würde für eine Annäherung zur FPÖ stehen. Aus seiner Sicht würden ihn da viele missverstehen, und das lässt ihn ziemlich böse werden. Der Haken dabei ist, dass er nicht merkt, dass solche Reaktionen seinerseits Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind, weil es diesen für die SPÖ nachteiligen Themenschwerpunkt verstärkt. Auch im Verhältnis zwischen der SPÖ in Kärnten und ihrer Bundespartei."
Mit Blick auf die rot-schwarze Koalition in Kärnten betont Filzmaier, dass eine Mehrheit der beiden nach der nächsten Landtagswahl, voraussichtlich 2028, keineswegs sicher sei. "Bei 2023 miteinander rund 56 Prozent der Stimmen scheint es genug Luft nach unten zu geben. Aber die SPÖ lag 2009 unter 30 Prozent, die ÖVP hatte 2004 nicht einmal 12 Prozent. Also kann diese Mehrheit schneller weg sein, als man glaubt." Beim Thema Migration sei Fellner "in seiner Wortwahl viel radikaler oder zumindest unsensibler" als Peter Kaiser. "Obwohl sie inhaltlich – siehe das Kaiser-Doskozil-Papier mit den Grundpositionen der SPÖ - weniger weit auseinander liegen, als man glauben könnte. Der Nachteil dabei: Fellner produziert dadurch Schlagzeilen für exakt jenes Thema, das die FPÖ öffentlich diskutieren will, während andere Themen wie beispielsweise Sozialpolitik als traditionelle Stärke der SPÖ in den Hintergrund treten."