Die Mindestsicherung als soziale Hängematte sei ein "Lachakt", er würde sich für so eine Argumentation "genieren", so der ÖGB-Präsident.
Der Verzicht auf eine 13. und 14. Auszahlung der Mindestsicherung durch die Bundesregierung zieht jetzt heftige Kritik von ÖGB-Präsident Erich Foglar an der ÖVP nach sich. Die Haltung der Volkspartei, die hier aus rein ideologischen Gründen Betonhürden aufbaue, sei überhaupt nicht verständlich, meint der Gewerkschaftschef. Befürchtungen, wonach bei einem höheren Betrag die Mindestsicherung als soziale Hängematte dienen könnte, bezeichnete er als "Lachakt". Er würde sich für so eine Argumentation "genieren".
Verantwortung bei Pröll
Seinen Vorgänger als ÖGB-Chef, den
nunmehrigen SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer, nimmt Foglar in Schutz,
auch wenn die Mindestsicherung in dessen Kompetenz fällt: "Das
lasse ich nicht auf die Ebene abgleiten." Da sitze einer da mit Daumen
rauf und Daumen runter und schiebe dann die Verantwortung einem anderen zu,
kritisierte er ÖVP-Finanzminister Josef Pröll.
Verwaltungsreform brächte Tempo
Dass die Mindestsicherung
nun neuerlich verschoben wurde und erst im September 2010 in Kraft treten
soll, akzeptiert der ÖGB-Präsident vergleichsweise gefasst: "Noch
früher wäre noch besser gewesen, aber es hätte auch noch später erfolgen
können." Den Grund für die Verzögerung sieht er darin, dass nun
noch neun Landtage und der Bund die entsprechenden Beschlüsse fassen
müssten: "Das ist ein klassisches Beispiel für die
Verwaltungsreform."
Verbesserung für Zigtausende
Schlecht reden lassen will
sich Foglar die Mindestsicherung insgesamt aber nicht. Diese bringe eine
deutliche Verbesserung für zigtausende Menschen. Hinzu käme, dass durch die
E-Card für alle die Diskriminierung über den Sozialhilfe-Krankenschein
wegfalle und dass mit der Abschaffung des Familien-Regresses eine
Zugangshürde beseitigt werde.
Bruchteil des Bankenpakets
Dass eine 13. und 14. Auszahlung, wie
sie ursprünglich vorgesehen war, zu teuer käme, bestreitet der ÖGB-Chef
vehement: "Betragsmäßig ist das nicht die Summe, die Österreich ein
Problem bringt. Das ist ein Bruchteil von dem, was man den Banken schon
geschenkt hat", verwies Foglar auf jene Finanzinstitute, die heuer
keine Dividende hätten und so für das staatliche Partizipationskapital
nichts zu bezahlen hätten.
"Hängematte" ist ein Nagelbrett
Die Grünen sind
über die "Mini-Sicherung" überhaupt empört. Aus Protest haben sie eine
Hängematte mit Nägeln am Schwedenplatz aufgespannt. Nationalrätin Daniela
Musiol und der Wiener Stadtrat David Ellensohn werfen der rot-schwarzen
Koalition vor, die Mindestsicherung über Nacht um 15 Prozent gekürzt - sie
wird 733 Euro zwölf anstatt wie geplant 14 Mal im Jahr betragen - und "noch
als Großtat verkauft" zu haben. Tatsächlich liege sie unter der Armutsgrenze.
"Sparmeister bei den Ärmsten"
Foglar ärgert sich
aber auch über die von der Arbeitgeberseite angedachten Verschlechterungen
für Arbeitnehmer. So lehnt er die jüngsten Wünsche von
Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl bezüglich einer weiteren Verschärfung
der Zumutbarkeitsbestimmungen deutlich ab: "Während die
Finanzwirtschaft abcashen kann, spielt man bei den Ärmsten der Armen den
Sparmeister." Die Zumutbarkeitsbestimmungen für die Arbeitslosen seien
in den letzten Jahren mehrere Male verschärft worden, hier gebe es keinen
Handlungsbedarf, bestritt der Präsident mit Verweis auf die vielen Pendler
eine mangelhafte Mobilitätsbereitschaft der österreichischen Arbeitnehmer.
Für höheres Arbeitslosengeld
Festhalten will Foglar an
seiner Forderung nach einem höheren Arbeitslosengeld. Dieses Anliegen sei
nicht abgeschrieben, der ÖGB habe einen langen Atem.
Höheren Beitragssatz für Abfertigung neu
Angehen will
der Gewerkschaftschef auch eine Änderung bei der "Abfertigung neu"
und spricht dabei ein bisheriges Tabu-Thema an. Da die Renditen seit der
Einführung weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind und somit das
angepeilte volle Jahresgehalt nach 40 Jahren in weiter Ferne ist, spricht er
sich für eine Anhebung des Beitragssatzes aus, der von Beginn an bei 1,53
Prozent lag: "Das wäre meine erste Präferenz."
Kapitalmarkt nicht zukunftsfähig
Das wäre notwendig, da der
Kapitalmarkt nicht jene Renditen abwerfen könne, die von ihm verlangt
würden. Das würde nur dann funktionieren, wenn man das Geld über 30, 40
Jahre arbeiten lasse, was aber nicht gehe, da man ansonsten als Arbeitnehmer
keine Möglichkeit habe, das Geld vorzeitig zu entnehmen, womit auch der Sinn
der Abfertigung obsolet wäre. Grundsätzlich stehe man vor dem gleichen
Problem wie bei den Pensionskassen: "Alles, was auf dem Kapitalmarkt
aufgebaut war, ist nicht zukunftsfähig."
Keine Nulllohnrunde bei KV-Gesprächen
Zurückhaltend zeigt
sich Foglar, was die anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst
angeht. Angesichts der Wirtschaftslage stehe man vor einer "immens
schwierigen Runde". Der ÖGB-Chef, der früher selbst die
Metallergehälter verhandelt hat, sichert dabei der anderen Seite zu, dass
man auf die Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen werde. Man müsse einerseits
die Sicherung des Lebensstandards in Betracht ziehen, andererseits aber auch
flexibel in jenen Branchen reagieren, wo es größere Einbrüche gebe.
Nein sagt Foglar freilich zu einer Nulllohnrunde, die er "grundsätzlich" ablehnt. Die Kaufkraft sei die einzige Stütze, "die noch halbwegs hält". Daran dürfe nicht gerüttelt werden.
Auf Widerstand des Präsidenten stoßen daher auch Ankündigungen Kärntens und Salzburgs, für ihre Landesbeamten Nulllohnrunden durchzuführen. Das ohne Verhandlungen kundzutun sei ein "absolut schlechtes Beispiel" und "kein erfolgreicher Stil".
Gegen Pensionistenpreisindex
Foglar geht davon aus, dass es hier
letztlich doch noch zu Gesprächen kommt - wie übrigens auch bei den
Senioren. Mit Skepsis sieht er aber den von den Pensionisten-Organisationen
wieder ins Treffen geführten (höheren) Pensionistenpreisindex, der einen
eigenen Teuerungswert bei speziell für Ältere relevanten Produkten abbildet.
Analog zu den Lohnrunden argumentiert Foglar: "Es gibt eine
Inflationsrate - und das war es."
In Sachen Pensionsreform plädiert Foglar im Übrigen dafür, die anstehenden Projekte wie Hackler- und Schwerarbeiterregelung sowie Berufsunfähigkeitspension in einem Guss zu lösen. Am Prinzip "45 Jahre sind genug" hält der Präsident zwar fest, bezüglich der Rahmenbedingungen will er sich jedoch nicht festlegen lassen.