Sechs Milliarden Euro an Steuergeldern sind noch angelegt - 458 Millionen sind schon verloren.
Es war ein überraschender Auftritt. Wegen der Sommerpause des Nationalrates stellten BZÖ und Grüne am Donnerstag im Bundesrat ab 16 Uhr in einer zweistündigen dringlichen Anfrage 29 Fragen zu den Spekulationsverlusten.
Womit niemand gerechnet hatte: ÖVP-Finanzminister Josef Pröll kam selbst in den Bundesrat. Er flog extra von den Bregenzer Festspielen nach Wien. „Zwar könnte ich mich auch durch Staatssekretäre vertreten lassen, aber ich möchte selbst antworten, um alles aufzuklären“, so Pröll.
23 Minuten Erklärungen
Der ÖVP-Chef verteidigte sich
ausführlich, aber auch ausweichend – exakt 23 Minuten lang. „Die
Bundesfinanzierungsagentur sparte dem österreichischen Steuerzahler beim
Zinsaufwand rund drei Milliarden Euro“, so Pröll.
3 Milliarden gespart
Die Forderung nach einem generellen
Veranlagungsverbot wies Pröll klar zurück: „Einen größeren Nonsens habe ich
überhaupt noch nie gehört. Sollen wir das Geld ohne Zinsen unter dem Polster
der Steinzeitpolitik deponieren und drei Milliarden Euro auf dem Weg liegen
lassen, die wir für Steuerzahler wieder ausgeben können?“, fragt Pröll.
Er kündigte eine „Novelle des Bundesfinanzierungsgesetzes und die gesetzliche Verankerung des Vier-Augen-Prinzips“ an.
"Knick in der Argumentation"
SPÖ-Bundesrat Josef Kalina
sieht gegenüber ÖSTERREICH „einen Knick in der Argumentation“: „Pröll stellt
zwar alles höchst erfolgreich dar, spricht von Gewinnen. Und gleichzeitig
will er die derzeitige Vorgehensweise stoppen.“
"System Helmut Elsner"
Der grüne Rechnungshofsprecher
Werner Kogler sagt nach den Antworten Prölls zu ÖSTERREICH: „Der Bundesrat
ist von Finanzminister Pröll in einer unglaublichen Art und Weise für dumm
verkauft worden. Auf die Frage, warum die Verlustpapiere von den Cayman
Islands in der Karibik gekauft wurden, erklärte Pröll, die Papiere liegen
nun ja in Holland.“
Für Kogler ist klar: „Die ÖBFA hat neben vorhandenem Steuergeld Kredite aufgenommen, für die Zinsen zu zahlen sind – in der Hoffnung mit Spekulation in der Karibik mehr Geld hereinzubringen. Das ist genau das gleiche System wie bei Helmut Elsner.“
Wieviel Geld liegt wo?
Die Verluste der
Bundes-Finanzierungsagentur bei der Veranlagung unseres Steuergeldes werden
zum Politskandal. Bisher sind sowohl das Bundeskanzleramt als auch das
Finanzministerium bei der Aufklärung der gesamten Verlust- und Anlagesumme
gescheitert. Niemand weiß derzeit genau, wie viel Geld aktuell noch
veranlagt ist – und wie riskant diese Anlagen wirklich sind. Und niemand
kennt die wirkliche exakte Verlust-Summe der Spekulationsgeschäfte.
Die ÖSTERREICH-Recherchen haben Folgendes ergeben:
- Laut Rechnungshof waren im August 2007, zu Beginn der Finanzkrise, exakt 10,784 Milliarden Euro in spekulativen Papieren veranlagt. Laut Bundeskanzleramt sollen 2007 sogar bis zu 15,7 Mrd. Euro Steuergeld von der ÖBFA spekulativ angelegt gewesen sein – damit war zu Beginn der Finanzkrise gut die Hälfte des gesamten Kassabestands an Steuergeld sozusagen „im Casino“.
- Im September 2007 waren atemberaubende 4,922 Milliarden Euro in von der Finanzkrise besonders gefährdeten „Asset-backed Commercial Papers“ angelegt – Schuldverschreibungen ohne echte Sicherheit.
- Von diesen Asset-backed Papers lagen 617 Millionen in „Structured Investment Vehicles“ (SIV) – höchst riskanten Geldverleih-Aktionen, die bereits zu Beginn der Finanzkrise krachten.
- Drei dieser SIV-Anlagen – Golden Key, Main Sail und Axon – produzierten einen Totalverlust. Wie man heute weiß, gingen dadurch nicht, wie von Finanzminister Pröll immer behauptet, „knapp über 300 Millionen Euro“, sondern exakt 458 Millionen Euro verloren. Pikant: Diese drei Fonds residieren „steuerfrei“ auf den Cayman Islands. Weil der Handel mit diesen Papieren in Österreich offenbar „steuerfrei“ nicht legal ist, liegen die Papiere in einem „Depot“ in Holland – möglicherweise noch ein Politskandal der Sonderklasse.
- Heißt: Die Regierung hat mit drei Fonds einen Totalverlust von 458 Millionen gebaut. Wieviel sie beim Gesamtinvestment der 15,7 Milliarden Euro noch verloren hat, ist derzeit nicht eruierbar. Ein Insider: „Da können sich noch Hunderte Millionen Verlust verstecken!“
- Geheim gehalten wird von der ÖBFA auch, wie viele Milliarden derzeit aktuell noch veranlagt sind. ÖSTERREICH-Recherchen ergaben bisher: Der Kassastand der Republik beträgt aktuell 6 Milliarden Euro. Ziemlich exakt diese 6 Milliarden Euro dürften derzeit noch veranlagt sein – und zwar nach wie vor in „Triple AAA“ (wie die bisherigen Spekulationen) und in der Karibik.