Der größte Prozess der Zweiten Republik endete mit Schuldsprüchen für die Hauptangeklagten. Die Urteile sind alle noch nicht rechtskräftig. Grasser gab auf oe24.TV ein großes Interview nach dem Urteil.
Oe24.TV: Es war ein Urteil, mit dem niemand gerechnet hat. Wie geht es Ihnen?
Karl-Heinz Grasser: Stellen Sie sich vor, Sie sind unschuldig und werden zu acht Jahren verurteilt. Ich bin wirklich traurig und schockiert und erschrocken, dass so etwas möglich ist. Nach drei Jahren Prozess war mir klar, dass ich freigesprochen werde. Und jetzt komme ich mir vor wie im falschen Film. Es ist ein glattes Fehlurteil.
Oe24.TV: Wie haben Sie die Urteilsverkündung konkret erlebt?
Grasser: Es war, wie wenn eine Welt in dir zusammenbricht. Ich habe kurz die Fassung verloren. Aber niedersetzen wollte ich mich auch nicht. Ich habe es gehört, aber zunächst einmal nicht realisiert.
Oe24.TV: Dachten Sie nicht, dass es doch einen Schuldspruch für Sie geben könnte?
Grasser: Ich bin ja an sich ein Mensch, der alle Eventualitäten überlegt. Ich habe für mich schon manchmal abgehandelt, was passieren könnte, etwa als das falsche Geständnis von Peter Hochegger gekommen ist. Es gibt aber keinen einzigen Beweis, auch wenn die Richterin von einer „erdrückenden Beweislast“ spricht. Es gibt keinen Beweis. Das Ganze ist ein Indizienprozess. Und dieser Indizienprozess lief doch so, dass die Säulen der Anklage zusammengebrochen sind.
Oe24.TV: Sie wurden in drei Punkten verurteilt. Können Sie sich vorstellen, warum die Richterin so entschieden hat?
Grasser: Das weiß ich nicht. Der Urteilsspruch kann mir nicht nehmen, dass ich weiß, dass ich unschuldig bin. Ich weiß, ich habe mich korrekt verhalten. Ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Begründung, weil ich den Eindruck habe, die Richterin übernimmt die Anklage und ignoriert alle Entlastungszeugen. Da stellt sich schon die Frage der Befangenheit der Richterin. Ihr Mann war der Ausbildungsrichter – und dieser Mann hat vor Prozessbeginn gesagt, der Grasser gehört ins Gefängnis, und hat mich damit vorverurteilt. Was völlig absurd ist: Die Richterin hat dann selbst über ihre Befangenheit entschieden. Wir werden das Höchstgericht anrufen. Ich kämpfe um Gerechtigkeit und meine Freiheit – bis zu letzten Atemzug.
Oe24.TV: Also Sie können sich nicht vorstellen, warum das Urteil so aussieht?
Grasser: Ich weiß nicht, warum wir drei Jahre verhandelt haben, wenn die Richterin das übernimmt, was die Staatsanwaltschaft falsch behauptet hat. Auf der einen Seite bist du fertig, ich weiß noch gar nicht, wie meine Stimmungslage ist. Ich wollte mich freibeweisen. Ich fühle mich so ohnmächtig. Nach einem drei Jahre dauernden Verfahren. Nach elf Jahren der Ermittlungen. Da siehst du, dass das Beweisverfahren so gut lief – und dann kommt so ein Urteil.
Oe24.TV: Wie stehen Sie jetzt zu Walter Meischberger?
Grasser: Sie wissen, er war mein Trauzeuge, er war einer meiner besten Freunde. Wir haben keinen Kontakt mehr, aber wenn jemand nach so vielen Jahren sagt, das ist schlecht gelaufen, dann verzeihe ich ihm. Ich selber hoffe weiterhin auf einen Freispruch für mich.