Interview nach Hammer-Urteil ++ Ex-Minister geht in Berufung ++ Warum er Meischberger verzieh. Auf oe24.TV gab Grasser Stunden nach dem Brutal-Urteil ein langes Interview.
Wien. Freitag, 16 Uhr. Es ist keine zwei Stunden her, dass über Karl-Heinz Grasser das bisher härteste Urteil gegen einen heimischen Politiker gesprochen wurde. Grasser kommt – sichtlich gezeichnet – ins oe24.TV-Studio, um Niki Fellner ein Interview zu geben. Er ist ganz alleine, wie im Gerichtssaal im blauen Sakko, dazu trägt er einen Schal. Grasser erzählt, dass er sich schon überlegt hatte, was er bei einem Freispruch sagen wollte. An eine Verurteilung habe er nie und nimmer geglaubt.
OE24.TV: Es war ein Urteil, mit dem niemand gerechnet hat. Wie geht es Ihnen?
Karl-Heinz Grasser: Stellen Sie sich vor, Sie sind unschuldig und werden zu acht Jahren Haft verurteilt. Ich bin wirklich traurig und schockiert und erschrocken, dass so etwas möglich ist. Als ich in der Früh ins Gericht gegangen bin – nach drei Jahren des Beweisverfahrens, nach 150 Zeugenaussagen –, war für mich eigentlich klar, dass ich freigesprochen werde. Insofern komme ich mir wie in einem falschen Film vor. Es ist ein glattes Fehlurteil, dieses Urteil ist falsch, nicht korrekt und dieses Urteil spiegelt überhaupt nicht wider, was in den letzten drei Jahren an Beweisverfahren im Gerichtssaal geschehen ist.
OE24.TV: Wie haben Sie die Urteilsverkündung erlebt?
GRASSER: Es war, wie wenn eine Welt in dir zusammenbricht. Ich habe kurz die Fassung verloren, aber niedersetzen wollte ich mich auch nicht. Ich habe es gehört, aber zunächst einmal nicht realisiert.
OE24.TV: Dachten Sie nie, dass es doch einen Schuldspruch geben könnte?
GRASSER: Ich bin ja an sich ein Mensch, der alle Möglichkeiten überlegt. Ich habe für mich schon manchmal abgehandelt, was passieren könnte, etwa als das falsche Geständnis von Peter Hochegger gekommen ist. Es gibt aber keinen einzigen Beweis, auch wenn die Richterin von einer „erdrückenden Beweislast“ spricht. Es gibt keinen Beweis. Das Ganze ist ein Indizienprozess. Und dieser Indizienprozess lief doch so, dass die Säulen der Anklage zusammengebrochen sind.
OE24.TV: Sie wurden in drei Punkten verurteilt. Können Sie sich vorstellen, warum die Richterin genau so entschieden hat?
GRASSER: Das weiß ich nicht. Der Urteilsspruch kann mir nicht nehmen, dass ich weiß, dass ich unschuldig bin. Ich weiß, ich habe mich korrekt verhalten. Ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Begründung, weil ich den Eindruck habe, die Richterin übernimmt unkritisch die Anklageschrift und ignoriert alle Entlastungszeugen. Da stellt sich schon die Frage der Befangenheit der Richterin. Ihr Mann war der Ausbildungsrichter – und dieser Mann hat vor Prozessbeginn gesagt, der Grasser gehört ins Gefängnis und hat mich damit vorverurteilt. Was völlig absurd ist: Die Richterin hat dann selbst über ihre Befangenheit entschieden. Wir werden das Höchstgericht anrufen. Ich muss für meine Freiheit kämpfen, ich muss für meinen Ruf, für meine Reputation kämpfen, ich kämpfe für Gerechtigkeit, und diesen Kampf werde ich bis zum letzten Atemzug machen.
OE24.TV: Sind Sie wütend?
GRASSER: Ich weiß noch gar nicht, wie meine Stimmungslage ist. Auf der einen Seite bist du fertig. Aber das hier hat alles gesprengt, was ich mir in meinen schlimmsten Träumen hätte ausmalen können. Ich fühle mich so ohnmächtig. Dabei wollte ich mich freibeweisen. Da siehst du, dass das Beweisverfahren so gut lief – und dann kommt so ein Urteil.
oe24.TV: Das Verfahren hat Sie wirtschaftlich ruiniert. Hat es Sie auch persönlich ruiniert?
Grasser: Das, was noch übrig ist, und da bin ich unglaublich dankbar, ist die Liebe zu meiner Frau und umgekehrt. Meine Familie und meine Eltern, meine Kinder die einfach wirklich in jeder Sekunde voll und ganz hinter mir gestanden sind. Das ist auch das, was mir Kraft gibt.
oe24.TV: Gab es einen Zeitpunkt, an dem Sie gesagt haben, ich gebe auf – aus Rücksicht auf die Familie?
Grasser: Diesen Moment gab es nie. Aber es hat schon Momente tiefer Verzweiflung und größter Frustration gegeben.
oe24.TV: Bereuen Sie, dass Sie damals in die Politik gegangen sind?
Grasser: Bis vor Kurzem hätte ich Ihnen gesagt, nein, weil es für mich Ehre und Auszeichnung war. Doch jetzt zieht das 13. Jahr meines zerstörten Lebens ins Land, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob man seinen Kindern mit ruhigem Gewissen sagen kann, dass sie in die Politik gehen sollen.
oe24.TV: Wie stehen Sie zu Walter Meischberger?
Grasser: Sie wissen, er war mein Trauzeuge, er war einer meiner besten Freunde. Wir haben keinen Kontakt mehr, aber wenn jemand nach so vielen Jahren sagt, das ist schlecht gelaufen, dann verzeihe ich ihm. Ich selber hoffe weiterhin auf einen Freispruch für mich.
oe24.TV: Haben Sie sich überlegt, was ist, wenn Sie wirklich in Haft müssen?
Grasser: Ich bin immer Optimist gewesen, selbst nach elf Jahren der Erschütterungen und der psychischen Verwundungen bin ich nach wie vor Optimist. Am Ende des Tages wird es eine Gerechtigkeit geben. Ich kann es mir in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat wie in Österreich einfach nicht anders vorstellen.