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Sebastian Kurz im Interview

Grenzen zu statt Türkei-Deal

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Kurz will sich nicht mehr auf den Flüchtlingsdeal mit der Türkei verlassen: Die EU müsse endlich besser Grenzen sichern.

ÖSTERREICH: Ist die Verhaftungswelle der Höhepunkt der antidemokratischen Politik Erdogans?

Sebastian Kurz: Es fällt mir schwer, hier von einem Höhepunkt zu sprechen. Die Säuberungswellen, die seit dem Putschversuch in der Türkei stattfinden, das Einschüchtern von Andersdenkenden und die Debatte um die Todesstrafe - das alles verstößt massiv gegen unsere europäischen Grundrechte und ist absolut nicht zu akzeptieren.

ÖSTERREICH: Sollen die Beitrittsverhandlungen mit Ankara gestoppt werden?

Kurz: Ich bin klar gegen die Eröffnung neuer Kapitel im Verhandlungsprozess. Aus meiner Sicht hat diese Türkei keinen Platz in der EU.

ÖSTERREICH: Also wären Sie für einen Abbruch?

Kurz: Das müssten die Staats- und Regierungschefs festlegen. Die Außenminister sind für Eröffnung neuer Kapitel zuständig - und hier ist meine Haltung klar.

ÖSTERREICH: Was bedeutet diese Krise für den Flüchtlings- Deal mit der Türkei?

Kurz: Ich habe immer davor gewarnt, dass wir uns von der Türkei abhängig machen. Die EU darf nicht erpressbar sein. Ich habe den Türkei-Deal immer als Plan B gesehen. Plan A muss die effektive Sicherung der Außengrenzen sein.

ÖSTERREICH: Frontex wurde erst kürzlich verstärkt - das reicht ihnen also nicht.

Kurz: Nein. Wir müssen die europäische Grenzschutzbehörde und Küstenwache weiter verstärken. Alle 28 Staaten müssen sie noch mehr unterstützen - personell und finanziell. Und es braucht politische Klarheit, dass jemand, der sich illegal auf den Weg nach Europa macht, nicht nach Mitteleuropa weitergewunken sondern an der Außengrenze gestoppt und sobald als möglich in sein Heimatland zurückgestellt wird. Diese Menschen sollten vorher in Zentren auf Inseln an der Außengrenze oder in Drittstaaten menschlich versorgt werden.

ÖSTERREICH: Minister Doskozil hat jetzt ebenfalls einen Alternativ-Plan gefordert...

Kurz: Wir ziehen an einem Strang. Ich habe bereits vor Monaten ein Modell vorgeschlagen, das sich an Australien anlehnt, um einerseits das Sterben im Mittelmeer zu beenden und andererseits die EU-Aussengrenze wirklich dicht zu machen. (gü)

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