Türkei wirft Griechenland "Feindseligkeit" vor - Raab: Bauwerk war wichtiges Symbol für friedliches Zusammenleben - Historikerinnen: Umwidmungen religiöser Gebäude häufiger vorgekommen.
Ankara. Die Türkei hat Kritik aus Griechenland wegen der umstrittenen Rückumwandlung der ursprünglichen Kirche Hagia Sophia von einem Museum in eine Moschee scharf verurteilt. Die Reaktion aus Athen "zeigt wieder einmal die griechische Feindseligkeit gegen den Islam und die Türkei", erklärte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums am Samstag.
Am Freitag war zum ersten Mal seit Jahrzehnten das muslimische Freitagsgebet in dem historischen Kuppelbau in Istanbul abgehalten worden, der früher eine christliche Kirche und dann ein Museum war.
"Die verwöhnten Kinder Europas, die es nicht akzeptieren können, dass wir uns in der Hagia Sophia erneut tief verneigen, haben Wahnvorstellungen", erklärte Sprecher Hami Aksoy in Ankara. Er verurteilte auch scharf die Verbrennung einer türkischen Flagge bei Protesten in Thessaloniki in Nordgriechenland. Aksoy warf der Regierung und dem Parlament in Athen vor, die griechische Öffentlichkeit durch "feindselige Äußerungen" aufzustacheln.
Grund für die Reaktion Ankaras ist unter anderem die Äußerung des griechischen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis. Mit Blick auf das in Istanbul abgehaltene Freitagsgebet nach der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee erklärte Mitsotakis am Freitag, "dieser Tag ist keine Demonstration der Stärke, sondern ein Beweis der Schwäche". Das Oberhaupt der orthodoxen Kirche in Griechenland sprach von einem "Tag der Trauer für das gesamte Christentum". Erzbischof Hieronymos bezeichnete die Umwandlung als einen "unheiligen Akt der Schändung".
An dem muslimischen Freitagsgebet in der Hagia Sophia in Istanbul hatte neben tausenden Gläubigen auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan teilgenommen. Der Staatschef hatte die Umwandlung der früheren byzantinischen Kathedrale in eine Moschee am 10. Juli angeordnet, nachdem das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei zuvor den jahrzehntelang geltenden Museumsstatus des Gebäudes aufgehoben hatte.
Die Hagia Sophia wurde im 6. Jahrhundert zunächst als Basilika errichtet und war über Jahrhunderte die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und eine der wichtigsten Kirchen der Christenheit. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 wurde sie in eine Moschee umgewandelt. Nach der türkischen Republikgründung wurde sie 1934 zum Museum erklärt. Die Umrüstung in ein Museum war eine zentrale Reform der modernen Republik unter der Führung des säkularen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk.
Raab: "Erdogan missbraucht Hagia Sophia für politische Zwecke"
Auch von anderen christlich geprägten Staaten, darunter Österreich, war die Rückumwandlung kritisiert worden. Am Samstag meldete sich noch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer Stellungnahme zu Wort: "Seit Jahrzehnten stand die Hagia Sophia als Museum Millionen Menschen aller Kulturen und Religionen offen und war ein wichtiges und schönes Symbol für das friedliche Zusammenleben. Dass Präsident Erdogan sie nun für seine politischen Zwecke missbraucht und in eine Moschee umwandeln lässt, zeigt deutlich, dass hier nicht die Religion im Vordergrund steht, sondern eine spaltende politische Ideologie", erklärte Raab.
Umwidmungen religiöser Gebäude wie der Hagia Sophia in Istanbul hat es freilich in der Geschichte häufiger gegeben, wie deutsche Forscherinnen laut Kathpress betonten. So seien etwa im Mittelalter Synagogen in Kirchen umgewandelt worden, erklärten die Judaistinnen Katrin Kogman-Appel und Franziska Kleybolte am Freitag in einem Online-Beitrag der Universität Münster. Diese Umwidmungen seien als politische Akte der Machtübernahme zu verstehen und drückten den Triumph der Kirche über das Judentum aus.
"Aber auch wirtschaftliche Motive spielten eine Rolle", schreiben die Wissenschafterinnen. Die jüdische Gemeinde habe mit der Synagoge oft ihren öffentlichen und privaten Besitz verloren.