Reform-Streit

Heer: Nur 48 Stunden Waffenstillstand

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SPÖ gibt Gas, erwischt ÖVP auf falschem Fuß.

Ein Minister gibt Gas: Gestern beauftragte Norbert Darabos seinen neuen Generalstabschef Othmar Commenda, ein "vertiefendes Konzept" für ein neues Freiwilligenheer aufzubauen. Grundlage: die schon präsentierten (und von der ÖVP gekrittelten) Heeresmodelle.

Darabos betonte, dass die Wehrpflicht für ihn kein Modell mehr sei – auch nicht als "Wehrpflicht light": "Man kann auch nicht ein bisschen schwanger sein."

Die Umwandlung in eine Freiwilligenarmee sei schon ab 2012 möglich, so Darabos. Damit könnte die Wehrpflicht schon im kommenden Jahr fallen. Darabos versicherte zwar, dass es im Übergang „kein Vakuum“ geben dürfe. Tatsächlich könnten die Geburts-Jahrgänge ab 94 dann aber nicht mehr einberufen werden.

Der SPÖ-Minister richtete der ÖVP zudem aus, dass er nicht warten will, bis die neue Sicherheitsdoktrin fertig ist. Im Übrigen setzt der SP-Minister auf eine Volksbefragung über die Wehrpflicht. Die werde es im Sommer geben – sollte sich die Koalition nicht einigen.

Hektische Telefonate zwischen Kanzler und Vize
Genau danach sieht es auch aus, die ÖVP reagierte aggressiv auf den Vorstoß: Erst Montag hatte man beschlossen, die Brutalität aus der Heeres-Debatte zu nehmen. Bereits Mittwoch gegen 8 Uhr (48 Stunden später) hatten Gerüchte, Darabos würde seine Anti-Wehrpflichtkampagne fortsetzen, den in Saalfelden (Sbg.) tagenden VP-Granden das Frühstück vermiest.

Besonders zornig: VP-Chef Josef Pröll, Innenministerin Maria Fekter und Außenminister Michael Spindelegger. Nachdem Darabos aufgetreten war, konterten Spindelegger und Fekter mit einer spontanen Pressekonferenz: Der sonst ruhige Außenminister machte aus seinem Ärger kein Hehl: "Darabos muss sich entscheiden, ob er endlich konstruktiv arbeiten oder jeden Tag eine neue Provokation setzen will." In ÖSTERREICH sagt Pröll: "Darabos gefährdet so die Sicherheit."

Noch während der ÖVP-Klausur telefonierten Kanzler Faymann und Pröll sowie Fekter und SP-Staatssekretär Josef Ostermayer über die Causa prima: Die SPÖ beharrt auf einem Wehrpflicht-Aus – die ÖVP will ihre "Wehrpflicht light" durchsetzen.

Damit beginnt für Darabos ein Spießrutenlauf. Heute tagen Landesverteidigungsausschuss und Nationaler Sicherheitsrat, morgen steht der Minister bei einer Sondersitzung unter Beschuss.

Pröll: "Die SP trickst an allen Ecken"

ÖSTERREICH: Ihre Klausur in Saalfelden zu Arbeit und Wachstum wurde durch die SP-Wehrpflichtdebatte überschattet?
Josef Pröll: Wir wollen Aufschwung und Arbeitsplätze sichern. Ich halte nichts von diesem tages­politischen Geplänkel.

ÖSTERREICH: Aber Verteidigungsminister Darabos hat am Mittwoch erneut ein Freiwilligenheer forciert.
Pröll: Wir hatten erst am Montag einen Zeitplan für eine gemeinsame Sicherheitsstrategie vereinbart. Und auch, dass wir erst danach über Modelle diskutieren. Darabos muss jetzt zeigen, ob er noch eine Sicherheitsstrategie zusammenbringt. Er soll als Verteidigungsminister endlich Verantwortungsbewusstsein zeigen.

ÖSTERREICH: Wo fehlt es Darabos denn an Verantwortungsbewusstsein?
Pröll: Seine Berechnungen für die Modelle sind offenbar voller Tricks. Zudem gefährdet er so die ­Sicherheit. Das haben sich die Österreicher nicht verdient. Es geht einerseits um die Landesverteidigung – wo man die Sicherheit des Landes und den Katastrophenschutz garantieren muss. Andererseits geht es auch um soziale Sicherheit.

ÖSTERREICH: Sie meinen durch das Darabos-Heeresmodell wäre der Zivildienst gefährdet? Hundstorfer hat doch ein neues Modell für freiwilligen „Zivildienst“ präsentiert?
Pröll: Hundstorfer hat bei seinen Zivildienstrechnungen auch an allen Ecken und Enden getrickst. Mit so unausgegorenen Plänen würde man den Pflegebereich und das Rettungswesen schwer gefährden. Das werden wir nicht zulassen.

ÖSTERREICH: Wie soll die Koalition aus diesem Heereskrieg herauskommen?
Pröll: Wir wollen eine verantwortungsbewusste Politik und eine richtige Sicherheitsstrategie. Es ist klar, dass die Wehrpflicht reformiert gehört. Aber zunächst brauchen wir eine klare Linie und seriöse Berechnungen, keine Tricks.

ÖSTERREICH: Und falls es keine Einigung gibt, soll es eine Volksbefragung geben?
Pröll: Wir haben jedenfalls keine Angst, die Bevölkerung zu fragen.

Neuer General Commenda: "Modell machbar"

ÖSTERREICH: Herr Generalleutnant Commenda, ist der Umstieg zum Freiwilligenheer machbar?
Othmar Commenda: Herr General Entacher hat die ausgearbeiteten Modelle im Sinne einer Machbarkeitsstudie seriös und nachvollziehbar errechnen lassen. Natürlich ist das Modell eines Freiwilligenheers machbar.

ÖSTERREICH: In dem Generalstabspapier wird das Freiwilligenheer mit Note 1,5 besser bewertet als das herkömmliche Modell mit Wehrpflicht: Heißt das, das Freiwilligenheer ist besser?
Commenda: Letztendlich kommt es auf die Rahmenbedingungen an, die uns die Politik vorgibt. Davon ist abhängig, ob wir sagen können, wir erfüllen die Vorgaben zu 80 oder eben zu 100 Prozent. Deswegen werden wir jetzt in die Tiefe gehen und weitere Berechnungen anstellen.

ÖSTERREICH: Welches Modell halten Sie denn für besser geeignet?
Commenda: Das kann und werde ich nicht sagen, da ich hier eine neutrale Rolle habe. Wir schaffen die Entscheidungsgrundlagen. Die Bewertung der Modelle ist Aufgabe der Politik.

ÖSTERREICH: Sie sind interimistischer Nachfolger des in Unfrieden geschiedenen Generalstabschefs Entacher. Werden Sie sich für seine Nachfolge bewerben?
Commenda: Das kann ich heute wirklich noch nicht sagen. Das werde ich dann entscheiden, wenn es so weit ist.

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