Mega-Prozess: vier Tage lang öffentliche Verhandlung ++ 14 Höchstrichter ++ 90 Zeugen.
Eine lockere Handhabung mit Vorschriften bei der Stimmenauszählung haben am Montag weitere Zeugen bei der Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Bundespräsidentenwahl bestätigt. So seien im Bezirk Villach-Land Sitzungsprotokolle unterschrieben worden, ohne dabei anwesend gewesen zu sein. Zeitdruck und Überforderung waren die häufigsten Argumente für die vorzeitige Öffnung der Kuverts.
"Unregelmäßigkeiten"
Neben Villach-Land wurde auch das Vorgehen in den Tiroler Wahlbezirken Kitzbühel und Schwaz am Nachmittag vor den Verfassungsrichtern erörtert. Wobei sich mehrere Parallelen bei den von der FPÖ und auch dem Innenministerium beanstandeten "Unregelmäßigkeiten" aufzeigten. So wurden allerorts die Wahlkuverts nicht wie vorgeschrieben am Montag nach der Wahl, sondern bereits am Wahlsonntag geöffnet. Diese seien "vorsortiert" worden, um die Unversehrtheit des Verschlusses zu prüfen, sagte etwa der Bezirkshauptmann von Kitzbühel aus - "Ich denke, es geht nicht anders".
Bei der vorzeitigen Öffnung sind laut Zeugenaussagen in mehreren Bezirken Mitarbeiter beschäftigt worden, an der Auszählung sollen diese aber nicht beteiligt gewesen sein, sagte etwa der Bezirkshauptmann von Kitzbühel. Es habe das Vier-Augen-Prinzip gegolten. Im Bezirk Villach-Land wurde laut Protokoll einer Vorbesprechung vermerkt, dass den Mitarbeitern "einhellig die Ermächtigung erteilt" worden sei, bei der Ermittlung des Wahlergebnisses zu helfen. Auf die Frage von FPÖ-Anwalt Rüdiger Schender an den dortigen Bezirkshauptmann, ob er wisse, damit gegen den Leitfaden des Innenministeriums verstoßen zu haben, nickte der Zeuge.
Zeitnot
Warum man es mit der Auszählung der Briefwahlstimmen derartig eilig hatte, begründete eine Zeugin mit "Zeitnot", eine andere zusätzlich mit medialem Druck. Warum in manchen Bezirken schon am Sonntag statt wie vorgeschrieben erst am Montag ausgezählt worden sei, dürfte aber auch mit der Arbeitsmoral der Beisitzer zusammenhängen: Lediglich eine Person erschien Montagfrüh in Kitzbühel. Und das, obwohl der Leiter der Wahlbehörde am Sonntag die Beisitzer mehrmals dazu aufgefordert hätte, "unbedingt" zu erscheinen.
"Dass wir nicht anwesend sein müssen, das haben wir am Sonntag einstimmig beschlossen", gab ein Beisitzer aus Schwaz an, warum auch dort die Beisitzer Montagfrüh nach der Wahl ausgelassen hätten. Dies sei "effizienter", habe es geheißen, da man spezielle Schneidmaschinen für die Kuverts habe. Angestellte der Bezirkshauptmannschaft hätten in Teams die Stimmen ausgezählt. Dies, "weil es einfach so viel Arbeit" sei, erklärte der dortige stellvertretende Bezirkswahlbehörden-Leiter. Und dies, obwohl 20 Personen von der Behörde eingesetzt gewesen seien - "oder wir sind so langsam, ich weiß es nicht".
Schlampereien
Auch Anwesenheit wurde bestätigt, obwohl diese nicht stattgefunden hatte, wurde etwa in Villach-Land deutlich: So habe ein Beisitzer gleich für zwei Tage unterschrieben, obwohl er nur an einem anwesend gewesen sei, wie er aussagte. Gelesen habe er das diesbezügliche Protokoll nicht, ihm sei auch nur die letzte Seite vorgelegt worden. Die erste sei "in irgendeiner Schreibstube zur Korrektur" gelegen. "Das ist die Runde gegangen, das hat kein Mensch gelesen", berichtete ein anderer Beisitzer aus Schwaz.
Dass durch die lockere Handhabung Möglichkeiten zur Manipulation des Ergebnisses entstanden seien, glaubte keiner der befragten Zeugen, auch wenn Kuverts bereits am Sonntag geöffnet worden seien. Der Zugang zu diesen sei über Nacht verschlossen gewesen, sagte etwa die stellvertretende Wahlleiterin aus Kitzbühel. Zudem hätten sie sich ohnehin in einem anderen Gebäude befunden: "Da müsste einer Spiderman sein."
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