Mehrere hundert Kassenärzte haben am Donnerstagabend im Audimax der Wiener Universität gegen Einsparungen im Gesundheitssystem protestiert.
Ärztekammer-Präsident Walter Dorner warnte dabei vor drohenden
Rationierungen in der medizinischen Versorgung und rief die Ärzte zur
Unterstützung des "Patientenbegehrens" der Kammer auf. Kritik setzte es
erneut an dem als "Ex-Sozialfighter" titulierten Bundeskanzler Alfred
Gusenbauer (S).
Ignorante Politik
Dorner beklagte die
Finanzmisere der Krankenkassen und die Ahnungslosigkeit der politisch
Verantwortlichen: "Diese Ignoranz seitens der Politik könnte nämlich der
Grundstein für eine Zwei-Klassen-Medizin nicht nur in Wien, sondern in ganz
Österreich sein." Der Kammerchef sprach von fruchtlosen Interventionen gegen
die Veranstaltung und die Kampagne. "Aber wir werden uns nicht abhalten
lassen, die Bevölkerung über ihre Pläne zu informieren", so Dorner.
Johannes
Steinhart, Chefverhandler und Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, wurde in
dem 750 Personen fassenden Saal - angemeldet hatten sich laut Kammer mehr
als 1.200 - mit Jubel begrüßt. Er schilderte die jahrelange Zermürbung durch
Einsparungsdruck, die Titulierung als "Kostenverursacher, Verhinderer und
Einbetonierer" sowie immer neue Kürzungspläne gegen die Ärzte. "Es reicht",
so seine Schlussfolgerung: "So kann es nicht weitergehen. Daher gehen wir in
die Offensive, denn das können wir uns auf die Dauer nicht gefallen lassen."
Sagenhafte Sauerei
Steinhart erinnerte an die im Dezember durch
die Kammer unterbrochenen Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse
(WGKK). Das Angebot eines Honorardeckelung mit einem Plus von 1,5 Prozent
hätte den Ärzten 2008 mit 388 Mio. Euro weniger gebracht, als die
Weiterführung des aktuellen Vertrags, deren Honorarsumme die Kammer mit 397
Mio. Euro veranschlagt.
Als "Höhepunkt der Haltungschuzpe" bezeichnete Steinhart Regierungspläne, statt eines Gesamtvertrags Einzelverträge zu schaffen und damit die Solidarisierung der Ärzte zu verhindern. Deckelungen seien eine "sagenhafte Sauerei", und die angedachten befristeten Einzelverträge für Kassenärzte würden die Mediziner zum Schaden der Patienten erpressbar machen.
Menschlichkeit abhandengekommen
Norbert Jachimowicz von der Kurie
niedergelassener Ärzte appellierte dafür, die Patienten umfassend zu
informieren, denn nur das fruchte bei der Politik mit Gusenbauer an der
Spitze: "Vor den Ärzten fürchten sie sich nicht, aber vor den Wählern, den
Patienten, fürchten sie sich schon." Auch er malte ein drastisches Bild:
"Man möchte uns zu Befehlsempfängern eines ökonomiedominierten Systems
machen, dem die Menschlichkeit abhandengekommen ist."
Für die
Ärztekammer war die Veranstaltung der Auftakt ihrer Kampagne. Steinhart
sprach von "systematischen Eskalationsstufen", die man sich noch vorbehalte.