Zudem halte sie es für denkbar, dass es in bestimmten Bereichen, wie beispielsweise bei Fluglinien, zu einer indirekten Impfpflicht kommen könnte.
Die Ex-NEOS-Abgeordnete und frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss findet die Betonung der Freiwilligkeit im Zusammenhang mit einer Impfung gegen das Coronavirus durch die Politik "kontraproduktiv". Eine Impfpflicht werde aus ihrer Sicht "die einzige Lösung sein", sagte sie in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Sonntagabend. Im Sommer werde die Pandemie noch nicht vorbei sein, prophezeite u.a. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.
Griss verwies auf die massiven Einschränkungen durch die Pandemie und deren Folgen - "Existenzen werden vernichtet, Menschen verlieren ihr Leben, tragen dauerhafte Schäden davon" - und forderte: "Diese Situation muss beendet werden." Zur Diskussion um die Sicherheit der erwarteten Vakzine gegen SARS-CoV-2 meinte sie, es sei "undenkbar, dass man diese Mengen Impfstoff produziert und bezahlt und verteilt", falls Wirksamkeit und Unschädlichkeit nicht feststehen würden. Sie vertraue da auf die zuständigen Institutionen, und wenn einmal ein Impfstoff zugelassen sein werde, sei es kontraproduktiv, nur auf Freiwilligkeit abzustellen, "weil das das Ganze wieder schwächt".
Sie sei über eine Impfpflicht-Diskussion schon deshalb unglücklich, weil in absehbarer Zeit noch gar nicht so viel an Produkt zur Verfügung stehen werde, dass die gesamte Bevölkerung damit versorgt werden könnte, gab die Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin der Infektiologie und Immunologie an der MedUni Wien und Mitglied der Impfkommission am Robert Koch-Institut, zu bedenken. Zudem bekämen "die Leute dann noch mehr Angst". Zunächst müsse man aber schon wegen der Verfügbarkeit ohnehin auf Risikopersonen wie Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen sowie das Gesundheits- und Pflegepersonal fokussieren und die Verteilung priorisieren.
Die Sorgen der Skeptiker müssten sehr ernst genommen werden, betonte die steirische Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Die Information der Bevölkerung müsse transparent, neutral und in verständlicher Sprache erfolgen, um "alle mitzunehmen". Die Impfung sei derzeit der "einzige Hoffnungsträger für die Zukunft". Sie sieht die Impfbereitschaft bereits "stark im Zunehmen begriffen", und mit einer Zulassung von sicheren und geprüften Vakzinen werde die Akzeptanz noch steigen. Wichtig sei eine "bundesweite klare Kommunikation", ebenso wie die Aufklärung durch die Ärzte des Vertrauens und die Gesundheitsdienste.
"Wenn die Impfung einen Ausweg weist - das muss die Wissenschaft beantworten -, dann muss die Politik einen Zahn zulegen", forderte hier die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz. Appelle und Verweise an den Hausarzt reichten nicht: "Gehen sie in die Social Media, gehen sie in alle Gruppen hinein, sonst wird das nichts", warnte sie. Nur mit Verlautbarungen werde man nicht weit kommen, die Menschen müssten das Gefühl haben, dass ihre Fragen beantwortet werden.
Zur Frage, ob eine indirekte Impfpflicht in bestimmten Bereichen entstehen könnte, meinte Griss, es sei denkbar, dass etwa Firmen wie eine Fluglinie den Standpunkt einnehmen könnten: "Meine Leistung bekommst du nur, wenn du geimpft bist", sofern daraus kein Zwang entsteht, weil der Kunde auf einen anderen Anbieter ausweichen könnte. Bogner verwies auf die bestehende Möglichkeit arbeitsplatzbezogener Impfkonzepte. Die steirische KAGes etwa verlangt von ihrem Personal im patientennahen Bereich seit 2016 eine Immunität gegen Masern, Mumps, Röteln und Varicellen.
"Wir wissen derzeit nicht, dass ältere, vulnerable Personen in ausreichender Zahl in Studien vertreten waren", warnte Ludwig. Nicht zuletzt deshalb würden die laufenden Studien der Impfstoffhersteller auf Verlangen der regulatorischen Behörden langfristig nachbeobachtet werden. Er sei zwar optimistisch, dass die Vakzine mittelfristig eine Lösung gegen die Pandemie bedeuten werden. Derzeit seien viele Aspekte wie Langzeitsicherheit oder Nebenwirkungen aber noch nicht geklärt.
Bei der Entwicklung der Impfstoffe sei nicht auf Kosten von Wirksamkeit oder Sicherheit Zeit gespart worden, betonte Wiedermann-Schmidt, sondern weil einerseits auf bestehende Technologien aufgebaut wurde, andererseits die Zulassungsprozesse besser strukturiert worden seien. Sie erwartet, dass mehrere Produkte mit unterschiedlicher Eignung für verschiedene Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen werden. Wie auch Ludwig stellte sie fest: Das Leben werde im Jänner oder Februar nicht wieder so sein, wie es war, und auch im kommenden Sommer sei Covid-19 "sicherlich nicht" vorbei.