ÖSTERREICH Interview

Kammer-Chef fordert "Sparen statt neue Steuern"

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Mit einem Misstrauensbonus der Bevölkerung geht die Regierung heute in Klausur. Kammer-Chef Leitl mahnt zu mehr intensiver Abstimmung.

Die Meinung der Österreicher lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. 67 Prozent sagen, die Regierung habe ihre Erwartungen nicht erfüllt, hat Gallup für ÖSTERREICH erhoben. Nur 14 Prozent sind zufrieden. Vor diesem Hintergrund gehen Rot und Schwarz heute in Klausur.

Pflegekrise
Offiziell wich­tigster Tagesordnungspunkt ist die neue Ausbildungsgarantie samt einem Paket zur Lehrlingsausbildung. Ebenfalls zur Sprache kommen wird aber der große Pflegestreit.

Unzufrieden mit der Koalition ist auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Sein Ausweg im ÖSTERREICH-Interview: mehr intern koordinieren als nach außen streiten.

ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie zum Jahrestag der Angelobung die Regierung?

Christoph Leitl: Arbeitsmäßig ist einiges geschehen, auch wenn Brocken wie die Bürokratie- und Gesundheitsreform offen sind. Was ihr Erscheinungsbild betrifft, sollte sich die Koalition ein Beispiel an den Sozialpartnern nehmen. Wir gehen erst an die Öffentlichkeit, wenn wir uns geeinigt haben.

ÖSTERREICH: Verstehen Sie den Ärger der SPÖ über die ÖVP, die gegen den gemeinsamen Beschluss eine Verlängerung der Pflegeamnestie fordert?

Leitl: Genau solche Dinge gehören intern koordiniert und erst dann nach außen vertreten. Wenn bei einem Karren jeder in eine andere Richtung zieht, kommt der Karren nicht vorwärts.

ÖSTERREICH: Wer trägt da die Verantwortung?

Leitl: Es gibt eine Gesamtverantwortung. Ich sage nicht, Schuld haben immer die anderen. Solange aber kein gemeinsames Konzept vorliegt, bin ich für eine Verlängerung der Pflegeamnestie.

ÖSTERREICH: Welche Entlastung wünscht sich die Wirtschaft bei der Steuerreform?

Leitl: Die Steuerreform sollte dem Ziel Wachstum und Vollbeschäftigung untergeordnet sein. Ich will jetzt aber nur eine Maßnahme nennen. Die Benachteiligung der Selbstständigen bei der Begünstigung des 13. und 14. Gehalts muss beseitigt werden.

ÖSTERREICH: Selbstständige würden damit wie Angestellte einen tatsächlichen Spitzensteuersatz von nicht mehr 50 Prozent, sondern von 43,6 Prozent haben. Soll der Spitzensteuersatz weiter sinken?

Leitl: Wir sollten Schritte für den Mittelstand setzen, wo die Steuerprogression besonders stark ist.

ÖSTERREICH: Könnten Sie einer Steuer auf den Vermögenszuwachs zur Finanzierung des Pflegesystems zustimmen?

Leitl: Ich erteile allen Steuer­erfindungsplänen eine Absage. Wir sollten in der Bürokratie sparen, da sehen Experten ein Sparpotenzial von drei Milliarden Euro. Eine Große Koalition sollte diese großen Fragen auch angehen.

ÖSTERREICH: Gilt das Nein auch für eine Ausweitung der Sozialversicherungspflicht auf Miet- und Pachteinnahmen, um das Gesundheitssystem zu sanieren?

Leitl: Die Experten sagen, dass man allein mit einer besseren Zusammenarbeit der Krankenanstalten wahnsinnig viel Geld sparen könnte. Und ich will nicht zur Kenntnis nehmen, dass man sich an diese Frage nicht herantraut.

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