Polit-Experte über Niveau im Wahlkampf

Lothar Lockl: Politik braucht Ehrenkodex

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Der Politik- und Kommunikationsstratege Lothar Lockl fordert einen Ehrenkodex.

Negativkommunikation und Angriffe auf persönlicher Ebene dominieren den derzeitigen Wahlkampf, konstatiert Politik-Stratege Lothar Lockl. Das würde am Ende allen Parteien schaden und einen massiven Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust in die Politik bringen. Lockl fordert deshalb ­einen „Ehrenkodex“ für die Politik.

ÖSTERREICH: Was unterscheidet diesen Wahlkampf von den bisherigen?

Lothar Lockl: Es gibt eine komplette Sondersituation, denn zum ersten Mal in der Zweiten Republik bleibt nicht eine Regierung im Amt, bis eine Neuwahl stattfindet. Es gibt jetzt eine Übergangsregierung und alle Parteien befinden sich im Wahlkampfmodus und haben mit der Regierungsverantwortung quasi nichts zu tun. Das färbt schon ab.

ÖSTERREICH: Inwiefern?

Lockl: Zwei Dinge fallen wirklich auf: Das eine ist, dass es kaum Sachthemen oder Sachaussagen gibt, wohin Österreich gehen soll, was die Konzepte der einzelnen Parteien sind. Zweitens gibt es ein Ausmaß an Negativkommunikation, wie sie in der Dimension wirklich neu ist. Es gibt Anschüttungen auf wirklich rein persönlicher Ebene und es geht vor allem darum, warum der andere schlecht ist.

ÖSTERREICH: Ist es Ihrer Meinung nach also jetzt noch schlimmer als 2017

Lockl: Ja, schon. Es ist in allen Wahlkämpfen so, dass es einen hohen Anteil an Ne­gativkommunikation gibt. Diesmal ist es aber schon eine Klasse tiefer. Wenn es so weitergeht, wird das Ergebnis ein massiver Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust für die Politik insgesamt sein. Es ist eine Selbstbeschädigung.

ÖSTERREICH: Was bedeutet das für die Zeit nach der Wahl?

Lockl: Es wird wahnsinnig schwer werden, wieder eine Gesprächsbasis herzustellen. Man schlägt viele Türen zu und man muss auch in den nächsten Wochen sehr aufpassen, dass man sich die Erwartungshaltungen wechselseitig nicht so hoch legt. Wenn jeder dann noch so zirka zehn verschiedene Knackpunkte definiert, bei denen es auf gar keinen Fall möglich ist, dass man in eine Regierung geht, dann wird es nachher schwierig.

ÖSTERREICH: Leiden am Ende alle Parteien gleichermaßen unter dem Dirty Campaigning oder können Parteien davon auch profitieren?

Lockl: Ich glaube schon, dass da die Politik insgesamt leidet. Meiner Meinung nach fehlt in der Politik, anders als in fast allen gesellschaftlichen Bereichen, so etwas wie ein Branchenbewusstsein und ein Ehrenkodex. Wenn man Beispiele aus der Wirtschaft, zum Beispiel Supermärkte, anschaut, dann sieht man, dass diese einen harten Wettbewerb haben. Aber niemals würde eine Supermarktkette eine andere angreifen und schon gar nicht die Manager sich untereinander öffentlich persönlich brüskieren. Man weiß nämlich, dass am Schluss die Marken beschädigt werden. Der eine greift den anderen an, der andere zurück und die Kunden würden dort einfach nicht mehr einkaufen. Auch in anderen Wirtschaftsbranchen, aber auch im Sport oder der Kultur sind persönliche Angriffe unter der Gürtellinie auf die Konkurrenz absolut verpönt.

ÖSTERREICH: Warum läuft das dort fairer?

Lockl: Weil es ein gemeinsames Branchenbewusstsein gibt – und das teilweise trotz erbitterter Konkurrenz, wenn es um Märkte geht. Dieses Branchenbewusstsein, dass man andere nicht beleidigt, weil das kontraproduktiv ist, das ist in der Politik fast nicht vorhanden. Ich bin überzeugt, dass es da eine Debatte über politische Kultur braucht, über Gesprächsfähigkeit, auch über die Frage, welches Image die Politik insgesamt abgeben will und dass es so was wie einen Ehrenkodex geben sollte, wo bestimmt ist, welche Dinge man einfach nicht macht.

ÖSTERREICH: Was soll da drinnen stehen?

Lockl: Ich glaube zu allererst, dass man gewisse Aspekte, die wirklich in den persönlichen Lebensbereich hineingehen, die auch Interessen Dritter betreffen – wie Kinder, Familie, das persönliche Umfeld usw. –, dass das einfach aus der politischen Auseinandersetzung ausgeklammert wird und dass es auch verpönt ist, wenn man das macht. Das kommt ja allen zugute. Wenn man sich ausrichtet, wo etwa die Kinder in die Schule gehen, wird es einfach wahnsinnig unattraktiv für irgendjemanden, noch in die Politik zu gehen.

ÖSTERREICH: Welchem Poli­tiker würden Sie zutrauen, so einen Ehrenkodex zu erfüllen?

Lockl: Grundsätzlich kann das jeder, es ist eine Ausrichtungsfrage. Klar ist Van der Bellen ein Beispiel, aber auch Angela Merkel, Emmanuel Macron oder Barack Obama. Das sind Leute, die teilweise massiven Untergriffen ausgesetzt waren. Die haben das einfach gelassen genommen und am Ende gepunktet. 
Bei diesen Attacken kommt es oft zu einer Solidarisierung.

Interview: Debora Knob

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