Der NGO-Bericht zählt über 90 Vorfälle in der Spitzenpolitik 2020 - alle von der FPÖ. SOS-Mitmensch fordert ein Expertengremium und einen Handlungsplan gegen Muslimfeindlichkeit.
Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat im Jahr 2020 mehr als 90 Vorfälle von antimuslimischem Rassismus in der österreichischen Spitzenpolitik gezählt. Die Häufung - 2019 waren es noch über 40 Vorfälle - führt die NGO unter anderem auf die Corona-Pandemie zurück, die zur Festigung von Feindbildern missbraucht werde. In dem Bericht, der am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurde, sind ausschließlich Aussagen von FPÖ-Politikern zu finden.
Bericht von SOS-Mitmensch sieht Verbindung mit Corona
Als antimuslimischem Rassismus definiert SOS Mitmensch Angriffe auf Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit sowie die vorurteilsbehaftete Beurteilung dieser Menschen. Damit würde eine Grundlage für Diskriminierung und Übergriffe geschaffen.
Viele der Aussagen weisen laut dem Bericht einen Bezug zur Corona-Pandemie auf. In Krisenzeiten, so SOS-Mitmensch Sprecher Alexander Pollak, würden oft Sündenböcke gesucht.
FPÖ soll während Corona-Krise Vorurteile verstärkt haben
Die meisten Vorfälle kamen demnach in Form von Social-Media-Postings. So warfen unter anderem der ehemalige FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek und FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz der Regierung in sozialen Netzwerken vor, Corona-Maßnahmen, die zu Ostern in Kraft waren, während des Ramadans zu lockern.
Einen Appell gegen Massenbesuche in Spitälern bebilderte der Linzer FPÖ-Stadtrat Michael Raml mit zwei kopftuchtragenden Frauen. Sichtbare Musliminnen würden auf diese Weise als Problem und defizitbelastet dargestellt, so Pollak.
"Fremder, als man eigentlich ist"
Für die an der Wirtschaftsuniversität Wien arbeitende Kulturwissenschaftlerin Judith Kohlenberger sind die Befunde des Berichts ein Zeichen von "Othering" - ein "fremder machen, als jemand eigentlich ist." In Politik und Medien würden Muslime mit vielen negativen Eigenschaften besetzt, während das "eigene, nationale Wir" enger gefasst wird.
Erfahrungen mit solchen Situationen machte die schwarze, kopftuchtragende Landesschülervertreterin Sihaam Abdillahi, die vom Wiener FPÖ-Landtagsabgeordneten Leo Kohlbauer in die ideologische Nähe der Muslim-Bruderschaft gerückt wurde, nachdem sie die österreichische Politik kritisiert hatte. Es sei ein Versuch gewesen, sie zu diskreditieren und ihr die österreichische Identität abzusprechen, sagte Abdillahi.
Rassistische Reaktionen erhielt auch Muhammed Yüksek, SPÖ-Bezirksrat in Favoriten, nachdem er den Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp wegen dessen Aussagen, die Häufung des Namens Muhammed sei eine Bedrohung für die Wiener Kultur, anzeigte. Er habe Hilfe benötigt, um rassistische Kommentare in sozialen Medien zu verbergen, erklärte er bei der Pressekonferenz.
Rassismus beschränke sich nicht auf FPÖ
Antimuslimischer Rassismus beschränkt sich laut Pollak trotz der Inhalte des Berichts nicht auf die FPÖ. Es handle sich hier lediglich um "die Spitze des Eisbergs". Für eine Verbesserung der Situation fordert SOS-Mitmensch von der Politik klare Signale wie die Erstellung eines Expertengremiums sowie eines Handlungsplans gegen antimuslimischen Rassismus. Auch sollen Politiker rassistische Aussagen gegen Muslime klar verurteilen.