Streit um Flüchtlinge

Migration: Schlagabtausch zwischen Kurz & Rossmann

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Liste-Pilz-Klubchef: Kanzler spielt auf 'Klaviatur des Nationalismus'.

Liste-Pilz-Klubchef Bruno Rossmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) haben sich am Mittwoch im EU-Hauptausschuss einen Schlagabtausch in der Migrationsdebatte geliefert. Wenige Tage vor Beginn der Ratspräsidentschaft warf Rossmann dem Kanzler vor, auf der "Klaviatur des Nationalismus" zu spielen. Kurz wehrte sich energisch gegen die Vorwürfe.

Er sei in "äußerst großer Sorge" um die EU, sagte Rossmann. Die Union drohe an der Frage Asyl zu "scheitern". Der Kanzler wähle in dieser heiklen Situation den "falschen Weg" der nationalen Alleingänge. Rossmann kritisierte insbesondere den "Achsen"-Sager des Kanzlers bei einem Auftritt mit Deutschlands Innenminister Horst Seehofer in Berlin. Die Metapher der Achse Berlin-Wien-Rom sei "historisch schwer belastet". Antworten auf die drängenden Fragen der Handelspolitik mit Afrika und der Verteilungsgerechtigkeit zwischen Nord und Süd bleibe die Regierung hingegen schuldig.

Kurz wehrte sich

Den Vorwurf, nationale Alleingänge zu wählen, wollte der Kanzler nicht gelten lassen. "Das stimmt nicht", sagte Kurz. Er suche permanent nach europäischen Antworten, und sei froh, dass "mehr und mehr Staaten" bereit seien, diese europäischen Lösungsvorschläge für eine "entschlossenere, konsequentere und restriktive" Migrationspolitik auch "mitzutragen". Die EU werde "nicht zerfallen", er sei gegen das Verbreiten von "Untergangsszenarien", antwortete er dem Abgeordneten, dem er "Schwermut" attestierte, und den er deswegen mit "Optimismus anstecken" wollte. Der Begriff "Achse" sei überdies "keine Metapher", was Rossmann aus germanistischer Sicht nicht gelten ließ.

Für Wirbel sorgte in diesem Zusammenhang ein Kommentar der "Financial Times" vom Wochenende, aus dem Rossmann zitierte. Kurz werde darin als "Rechtsaußen-Kanzler" bezeichnet. "So sieht Europa sie", sagte Rossmann. "Journalisten", erwiderte ein Abgeordneter der Koalitionsparteien. "Sozialisten", fügte ein FPÖ-Mandatar hinzu, was den SPÖ-Abgeordneten Jörg Leichtfried zu der Bemerkung veranlasste, dass es wohl relativ wenige Sozialisten in den Redaktionsstuben der "Financial Times" gebe. ÖVP-Mandatar Martin Engelberg führte währenddessen Nachforschungen durch, und konnte die inkriminierte Stelle im Text nicht finden. Der Kanzler klärte die verworrene Situation auf: "Die Financial Times hat das korrigiert, und sich entschuldigt". "Was liegt, des pickt", beharrte Rossmann auf seiner Version des Kommentars.

"Falsche Freunde"

Auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder schoss sich auf die Migrationspolitik ein. Besonders rieb er sich an dem immer wieder ins Spiel gebrachten möglichen EU-Flüchtlingslager in Albanien. Der albanische Regierungschef Edi Rama müsse über deutsche Zeitungen ausrichten lassen, dass er sich gegen die österreichischen Regierungspläne stelle, sagte Schieder, der außerdem die Existenz einer "Balkanroute II." infrage stellte. Auch kritisierte er die "Allianz" mit den Visegrad-Staaten. Kurz suche sich die "falschen Freunde". Österreich dürfe nicht länger gemeinsam mit den "Spaltpilzen" "abhängen".

Der Kanzler wehrte auch die Vorwürfe Schieders entschieden ab. Es gebe keine Allianz mit den Visegrad-Staaten, diese Behauptung entbehre jeder Grundlage. "Ich habe mit dem niederländischen Premier Mark Rutte bis jetzt schon länger telefoniert als mit allen Regierungschef der Visegrad-Staaten zusammen." Und was die Balkanroute anbelange, so sei es absurd zu behaupten, dort gebe es kein Problem, wenn der albanische Ministerpräsident Österreich und auch Deutschland um polizeiliche Unterstützung bitte. Schieder tue so, als ob das alles "frei erfunden" wäre.

Eurozonen-Budget

Der Kanzler bezog im EU-Hauptausschuss auch Stellung zu den deutsch-französischen Vorschlägen eines Eurozonen-Budgets. Nachdem das Finanzministerium bereits kurz nach der Präsentation der Idee des Budgets, dessen Höhe noch nicht feststeht, "viele offene Fragen" geortet hatte, ging Kurz am Mittwoch einen Schritt weiter. "Wir sehen das kritisch." Es sei noch nicht klar, worin der "europäische Mehrwert" einer solchen Maßnahme bestehe. Die Entwicklung dürfe keinesfalls in Richtung "Transferunion" gehen.

Bei der Budgetfrage, in der Rossmann die Regierung in einer "Minderheitsposition" sieht, blieb EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) hart. Mehrere Länder (Niederlande, Schweden, Dänemark) würden dieselbe Meinung wie Österreich vertreten. Eine nach dem Brexit kleinere Union könne kein größeres Budget bekommen. Angesichts der vielen unterschiedlichen Positionen innerhalb der EU in dieser Frage könne man bei der Ländergruppe, die weiterhin nur 1 Prozent des BNP für die Union ausgeben will, bereits von einer "relativen Mehrheit" sprechen.

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