ÖSTERREICH Interview

Mitterlehner: Rasche Pensionsreform

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ÖVP-Vizekanzler grenzt sich äußerst scharf von SPÖ ab.

ÖSTERREICH: Ist die ÖVP mit dem neuen Programm wirklich offener und liberaler?

Reinhold Mitterlehner: Nicht nur offener und liberaler. Wir hatten einen großartigen Parteitag. Alle Themen werden jetzt mit Offenheit diskutiert. Wir diskutieren auch das Mehrheitswahlrecht und gleichgeschlechtliche Partnerschaften weiter dynamisch. Wir haben aber auch unverrückbare Komponenten wie Europa oder Eigentum und Leistung. Hier unterscheiden wir uns auch klar vom Mitbewerber.

ÖSTERREICH: Mitbewerber – damit meinen Sie die SPÖ?

Mitterlehner: Ja, da haben wir gravierende Unterschiede zur SPÖ. Wir sind für Erarbeiten und dann erst Verteilen. Die andere Seite ist für gleich verteilen. Auch bezüglich Reformen gibt es diesen Unterschied. Wir schwindeln uns nicht mehr über dringende Reformen hinweg.

ÖSTERREICH: Aber das Hauptproblem großer Koalitionen ist ja, dass es nur eine Politik der kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, nicht?

Mitterlehner: Sie haben Recht, dass die Bürger be­obachten, dass man oft nur den kleinsten gemeinsamen Nenner findet und in Pattstellungen verharrt. Wenn es uns als Regierung nicht gelingt, eine dynamische problemlösende Koalition zu sein, werden wir ein Problem bekommen. Daher müssen wir beim Arbeitsmarkt, den Pensionen und der Bildung inhaltlich weiterkommen.

ÖSTERREICH: Bezüglich Pen­sionen haben Sie und die SPÖ unterschiedliche Ansichten, oder?

Mitterlehner: Ja, da liegen wir bereits beim grundsätzlichen Zugang auseinander. Die SPÖ hat den Eindruck, dass die Pensionen sicher sind – was sie derzeit auch sind –, aber es kostet sehr viel. Die Position aus dem Regierungsprogramm, das Pensionsantrittsalter nur um ein Jahr anzuheben, ist eine minimale Lösung. Hier müssen wir uns an anderen EU-Ländern orientieren – etwa Schweden, wo man sechs Jahre später in Pension geht. Auch bei den Frauen sollte man eine raschere Anhebung des Antrittsalters zumindest diskutieren. Wir wären sonst das einzige EU-Land, in dem Frauen 2020 noch mit 60 in Pension gehen. Wir müssen hier schneller agieren.

ÖSTERREICH: Minister Kurz 
& die Junge VP wollen ein Mehrheitswahlrecht, weil sie sagen, das jetzige System sei lähmend.

Mitterlehner: Ja, das finde ich auch, und daher hatte ich den Antrag, der fast eine Zweidrittelmehrheit erreichte, auch unterstützt. Wir sind da erst am Anfang der Diskussion.

ÖSTERREICH: Derzeit werden Flüchtlinge in Zeltlagern untergebracht. Ist das nicht peinlich für ein reiches Land wie Österreich?

Mitterlehner: Deutschland macht das schon länger. Die Deutschen und wir nehmen ja sehr viele Flüchtlinge auf. Und die Dynamik mit 600 Flüchtlingen in zwei Tagen überholt uns derzeit. Daher finde ich es nicht peinlich, sondern toll vom Innenministerium, dass man die Situation mit Notfallplänen im Griff hat. Aber wir brauchen natürlich eine Dauerlösung. 1956 hatten wir bei der Ungarn-Krise alle geholfen. Diesen Spirit brauchen wir jetzt wieder.

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