Koalitions-Krise

Molterer schaltet Bundespräsident in EU-Streit ein

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Am Sonntag soll der einberufene Koalitionsausschuss tagen. Molterer schaltet zudem Bundespräsident Fischer ein.

Der geschäftsführende SPÖ-Chef Werner Faymann hat am Samstag den jüngsten Schwenk der Partei für eine Volksabstimmung bei künftigen EU-Referenden bekräftigt. "Unsere Perspektive für die EU ist klar: Wir wollen ein starkes Europa, wir wollen vor allem ein soziales Europa, das die Sorgen der Menschen erst nimmt", erklärte Faymann. Daher habe die SPÖ auch vorgeschlagen, dass die Bürger stärker in die Entscheidungen der Europäischen Union mit eingebunden werden.

"Denn damit bringen wir den Menschen die EU näher und informieren sie besser - was angesichts der enormen EU-Skepsis ein Gebot der Stunde ist", betonte Faymann. Gerade weil die SPÖ für ein starkes, soziales Europa eintrete, wolle die Bevölkerung in Hinkunft bei wichtigen Entscheidungen und Vertragsänderungen, die Österreich betreffen, das letzte Wort haben.

Molterer will klare Perspektiven
Vizekanzler ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer fordert zuvor nach dem Schwenk der SPÖ in der EU-Politik nun eine "klare unmissverständliche europäische Perspektive". Natürlich müsse das Regierungsübereinkommen gelten, "aber noch viel wichtiger ist diese klare unmissverständliche europäische Perspektive", so Molterer in der Radioreihe "Im Journal zu Gast" des ORF am Samstag. Konkret auf den Krisengipfel Koalition, der nun am Sonntag steigen soll, angesprochen sagte der ÖVP-Chef, "ich weiß, was ich will". Er sei jedenfalls der nächste ÖVP-Spitzenkandidat für die Nationalratswahlen, ob diese in drei Monaten oder erst 2010 stattfinden. Und im Pflegebereich forderte Molterer die Verlängerung der Amnestie.

Dem Koalitionsausschuss selbst gehören Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S), Vizekanzler Wilhelm Molterer (V), die beiden Regierungskoordinatoren Werner Faymann (S) und Josef Pröll (V) sowie die beiden Klubobleute Josef Cap (S) und Wolfgang Schüssel (V) an. Die Sitzung soll am Sonntag um 8.30 Uhr im Kanzleramt über die Bühne gehen.

Gibt es eine Basis?
Was den Zustand der Koalition betrifft, müsse man die Frage klären, ob die "Basis für die weitere Zusammenarbeit gegeben" sei. Er sei sehr an einer Zusammenarbeit interessiert. "Wir werden im Koalitionsausschuss und beim Bundespräsidenten genau diese Frage stellen, ob die Basis für die Zusammenarbeit stabil genug ist". Der Parteivorstand der ÖVP habe ihn gestern beauftragt, "in einer jederzeit einzuberufenden Parteivorstandssitzung" diese Frage nach der Krisensitzung der Koalition und nach dem Treffen mit Heinz Fischer zu bewerten.

Molterer wendet sich an Fischer
Nach der EU-Kehrtwende der SPÖ hat Vizekanzler Wilhelm Molterer den Bundespräsidenten um ein Krisengespräch gebeten. Molterer bestätigt gegenüber der Tageszeitung ÖSTERREICH (Samstag-Ausgabe): "Es ist richtig. Ich habe gestern Bundespräsident Heinz Fischer angerufen und ihn um einen Termin für nächste Woche gebeten. Ich will bei diesem Gespräch meine ernste Sorge über den derzeitigen Kurs und die Verlässlichkeit unseres Regierungspartners äußern."

Neuwahlen unumgänglich
Laut Informationen aus der ÖVP will Molterer dem Bundespräsidenten deutlich mitteilen, dass die SPÖ die Zusammenarbeits-Vereinbarung gebrochen habe und Neuwahlen unumgänglich seien, schreibt ÖSTERREICH. Nach Einschätzung von Partei-Insidern sind damit Neuwahlen unumgänglich. Molterer selbst formuliert im Gespräch mit der Zeitung vorsichtiger: "Klar ist, dass wir zu Ostern etwas anderes vereinbart haben - nämlich eine konstruktive, ehrliche Zusammenarbeit für das Land mit einem Höchstmaß an Verlässlichkeit, in dem ein Partner dem anderen nicht mehr über Medien ausrichtet, dass er seine Meinung ändert oder die gemeinsame Linie verlässt. Was damals vereinbart wurde, wurde von der SPÖ nicht gehalten."

Krisensitzung nächste Woche
Das Treffen Molterer mit Fischer werde vermutlich nächste Woche kurz nach dem Koalitionsausschuss stattfinden, in dem die ÖVP von der SPÖ eine Garantie verlangen will, dass das Duo-Faymann bei EU-Politik und anderem zur von der ÖVP gewünschten Regierungslinie zurückkehrt. Sollte es diese Garantie nicht geben, stehen Neuwahlen im Raum. Molterer zu ÖSTERREICH: "Ich habe das Pouvoir, noch vor der Sommerpause einen Parteivorstand der ÖVP einzuberufen, wenn eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint." Er habe es "satt, alle zwei Stunden von der SPÖ über irgendwelche Medien eine neue politische Kehrtwende ausgerichtet zu bekommen. So geht das nicht mehr weiter!"

SPÖ-FPÖ-Koalition
Zuvor hatte Außenministerin Ursula Plassnik (V) der SPÖ vorgeworfen, bei ihrem Schwenk in der EU-Politik sich "in einer Nacht- und Nebelaktion mit dem Hauptorgan der EU-Gegner verbündet " zu haben. Auf Neuwahlen angesprochen meinte die Außenministerin, sie habe nicht den Eindruck, dass das jetzt entschieden werde. "Aber es ist eine ernste Situation eingetreten, der Regierungspartner macht gerade in einer zentralen staatspolitischen Frage einen radikalen Kurswechsel".

Regierungsscheitern
Außerdem könne die Regierung am EU-Schwenk der SPÖ scheitern, warnt Plassnik. Die Lage sei sehr ernst. "Wir wollen Klarheit haben, denn die Europapolitik ist Kern des Regierungsabkommens. Wir in der ÖVP wollen ein starkes Österreich in einem starken Europa. Das ist eine Thematik, die nicht in Frage gestellt werden kann". Auf die Frage, ob die Regierung an diesem Thema scheitern kann, sagte Plassnik in der "Zeit im Bild" Freitag abend, "das kann schon durchaus sein".

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