Korruptionsermittlungen und Kurz-Abgang brachten in Tirol und NÖ schwere Verluste
Wien/St. Pölten. Die guten Zeiten sind vorbei für die ÖVP, auch im Kernland Niederösterreich: Die Landtagswahl am Sonntag bescherte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ein Desaster. Nicht nur die Mandats-Absolute im Landtag ist weg, sondern mit Rekord-Minus und damit erstmals unter 40 Prozent auch die seit 1945 durchgehend gehaltene Mehrheit in der Landesregierung. Der Verlust fiel mit fast zehn Prozentpunkten ebenso groß aus wie im September in Tirol.
Schon bei dieser ersten Wahl nach der Neuaufstellung der Bundes-ÖVP mit Parteichef Karl Nehammer war klar, dass die türkise Erfolgsserie zu Ende ist. Mit Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen und den Chat-Veröffentlichungen samt Rücktritt von Sebastian Kurz und seiner Getreuen brachen die Umfragewerte ein, im Bund liegt die ÖVP nur noch auf Platz 3. Und auch die ersten beiden Wahlen in Tirol und Niederösterreich zeigten: Das Blatt hat sich gewendet, nach den zwölf teils triumphalen Wahlsiegen zwischen Kurz' Kür zum Parteichef 2017 und der von ihm ausgerufenen Nationalratswahl bis zur Oberösterreichwahl 2021.
Landesinterne Probleme
In Niederösterreich kamen neben dem aktuellen Bundesthema Teuerung auch noch landesinterne Probleme - ORF-Affäre und Vorwürfe illegaler Parteienfinanzierung seitens SPÖ und FPÖ - dazu. Damit muss Mikl-Leitner nach dem Triumph bei ihrem ersten Antreten 2018 nun das mit Abstand größte Minus und ein Ergebnis weit unter dem bisherigen historischen Tiefststand verantworten. Als Erklärung dafür, dass sie jetzt sogar das bescheidene Wahlziel "40 plus" verpasst hat, führte sie auch gleich an, es sei nicht um Landespolitik gegangen, sondern eine "bundespolitische" Wahl gewesen.
Nach dem vorläufigen Endergebnis (noch ohne wahlkreisfremde Wahlkarten) landete die VP nach ihren 49,63 Prozent im Jahr 2018 mit jetzt 39,94 Prozent erstmals knapp unter der 40-Prozent-Marke - nachdem sie in den bisher 17 Wahlen elf Mal sogar über 50 Prozent Zustimmung hatte und bis auf zwei Perioden auch die Absolute der 56 Landtags-Mandate. Nur zweimal nicht, und zwar bei Erwin Prölls ersten Wahlen. 1993 musste er das bisher schwächste Ergebnis (44,2 Prozent) verantworten - nachdem die ÖVP zuvor schon das größte Minus (6,95 Prozentpunkte) erlitten hatte.
Zum Koalitionspartner nahm sich Pröll jeweils die SPÖ. Eine intensivere Zusammenarbeit als die der bisherigen "Arbeitsübereinkommen" mit allen in der Proporz-Regierung vertretenen Parteien wird jetzt wohl auch Mikl-Leitner brauchen, denn erstmals in der Geschichte der NÖVP kann sie nicht mehr alleine in der Landesregierung entscheiden. Bisher hatte sie dort immer zumindest fünf der neun Posten, jetzt sind es nur noch vier.
Verlust in NÖ eine Spur größer als vor vier Monaten in Tirol
Der Verlust fiel in Niederösterreich - mit -9,69 Prozentpunkten - noch eine Spur größer aus als vor vier Monaten in Tirol. Dort brach die ÖVP um 9,55 Prozentpunkte auf 34,71 Prozent ein. In beiden Kernländern steht die Volkspartei jetzt am historischen Tiefstwert. Aus dem hatte sie sich in der türkisen Ära überall herausbewegt - nachdem sie zuvor bei allen Wahlen im Bund und acht Ländern außer NÖ schlecht wie nie abgeschnitten hatte.
Dies auch deshalb, weil die ÖVP der FPÖ - die seit 2019 regelmäßig für das Ibiza-Video und die Spendenaffäre abgestraft wurde - mit einer harten Linie in der Ausländerpolitik viele Wähler abspenstig gemacht hatte. Jetzt kehren die Wähler - mit neuerlicher, auch von der ÖVP geführter Migrationsdebatte und der Teuerungs-Krisen-Stimmung - offenbar wieder zur FPÖ zurück. Diese legte schon in Tirol zu und in Niederösterreich sogar massiv.