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Geheimnis der neuen VP-''Normalität''

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Hinter der Normal-Debatte der ÖVP steckt eine neue (alte) Strategie. 

Polarisierung. „Das ist genau die Debatte, die wir wollten und gerne aufgreifen“, erzählen VP-Strategen. Gemeint ist die anhaltende Diskussion über Johanna Mikl-Leitners „Normaldenker“-Sager.
Besonders angetan von der Taktik sei niemand Geringerer als Gerald Fleischmann, seines Zeichens jetzt VP-Kommunikationschef, einst das Kommunikations-Mastermind hinter Sebastian Kurz.
Er sei quasi ein „Erfinder“ dieser neuerlich polarisierenden Debatte, berichten ÖVPler.

Der Hintergedanke: Die ÖVP solle so erneut im blauen Wählerteich fischen und „klar signalisieren, dass wir eine rechte Partei sind und uns gegen die rot-grüne Meinungsmafia stellen“, drückt es ein Türkiser drastisch aus. Das sei auch der Grund, weshalb Bundeskanzler Karl Nehammer Bundespräsident Alexander Van der Bellen – dieser hatte, wie berichtet, eben jenen Diskussionsstil scharf kritisiert – gekontert hatte.

Die ÖVP wolle sich damit klar von den Grünen abgrenzen. In türkisen Kreisen sieht man an „den Stammtischen eine enorme Wut auf Klimahysteriker und Genderwahn“. Sätze, die sich tatsächlich kaum noch von jenen der Blauen abheben. Stammtische quer durch Österreich würden diese Stimmungs­lage „bestätigen“, sagen zumindest VPler.

Deswegen setzt der Kanzler auf Schnitzel

Metapher. Der Kanzler selbst versuche freilich die Gratwanderung zwischen einem leichten Kulturkampf und einer inhaltlichen Abgrenzung, ohne seine Koalition mit den Grünen zu gefährden. Daher agiere er nun mit dem Bild des „Schnitzels“, das man ­essen dürfe. Damit soll auch ein subtiles Nein gegen weitere Klimaschutzmaßnahmen signalisiert werden.

Nur auf Stammtische verlasse sich die Regierungspartei aber nicht. Dass die Menschen „Sehnsucht nach der alten Normalität“ hätten, würden auch Daten zeigen, lüftet ein VP-Spitzenpolitiker das Geheimnis hinter der Debatte. Die ÖVP lässt schließlich weiter, wie in Zeiten von Kurz, jede Woche Themen beim Meinungsforscher Franz Sommer abfragen. Demnach seien immer mehr – gerade in der ÖVP-Klientel – skeptisch gegenüber Warnungen vor dem Klimawandel.

Warnungen. Die Botschaft, die die Türkisen aussenden wollen: Die „ÖVP vertrete nach wie vor die (rechte) Mehrheit in dem Land und hat sich durch die Koalition mit den Grünen nicht verändert.“
Aber: Nicht alle in der schwarz-türkisen Welt sind mit dieser Taktik einverstanden. Sie wollen eine „stärkere Aus­einandersetzung mit Herbert Kickl, statt ihn zu kopieren“. Auch diesem Flügel der Partei versucht der Kanzler Rechnung zu tragen, indem er neuerdings eine Koa­lition mit Kickl ausschließt.

Nehammer solle als „Kanzler der Mitte“ positioniert werden. Die ursprüngliche Taktik dabei, nur die Roten anzugreifen, reiche da eben nicht. Zudem könne Nehammer die „Abgrenzung zu Kickl glaubhaft rüberbringen, weil er ihn wirklich“ ablehne.

Es sei „sehr viel Platz in der Mitte“, analysiert ein einstiges Regierungsmitglied die Lage. Die ÖVP müsse ihren „Anspruch, die Mitte zu vertreten, aber mit mehr Leben erfüllen.“ Diese Kreise würden sich einen Schwerpunkt auf „Leistung, Eigentum und Sicherheit“ wünschen.

Sicherheit müsse aber auch „soziale und finanzielle Sicherheit“ mitmeinen und nicht nur ­innere Sicherheit.

Und, so der Tipp dieses erfahrenen Politikers: „Sie sollten aufhören, nur auf die FPÖ zu schielen und so wehleidig zu sein“, sonst führe ihre „neue Normalität“ sie am Ende nur „in die Sackgasse“. 

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