Warum die versprochene Gesundheitsreform ausbleibt. Hinter den Kulissen eines Reform-Stillstandes.
Dass Sparen alleine zu wenig sei, hatten an sich alle drei Regierungsparteien – ÖVP, SPÖ und Neos – laut Eigenangaben bereits im Sommer verstanden. Damals war das große Sparpaket bereits beschlossen und die Umfragedaten der Regierung – freundlich ausgedrückt – schlecht. Jetzt ist Herbst und die von der Regierungsspitze – Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) – angekündigte erste Reformschritte für September/Oktober sind ausgeblieben. Die Umfragedaten für die Koalitionsparteien sind mittlerweile – in aller Zurückhaltung formuliert – miserabel.
SPÖ & ÖVP: Tiefe Gräben
Wo bleiben also die großen Reformen bezüglich der drei Themenbereiche – Gesundheit, Bildung, Energie -, die die Regierung selbst formuliert hatte?
Sie hängen in Machtkämpfen und versuchten Tauschhandel fest.
Und das hat einiges mit ziemlichen Spannungen im Hintergrund zu tun.
„Natürlich wird gestritten“, bestätigen inoffiziell Rote wie Schwarz-Türkise.
In Energie einig, bei Gesundheit tiefe Gräben
Grüne helfen bei Energiepaket
Es geht schließlich um viel – um sehr viel Geld – und zwei Schlüsselbereiche: Gesundheit und Bildung. In Sachen Energie dürften sich die drei Regierungsparteien hingegen einig sein. Hier warten sie nur darauf, dass die Grünen ihnen die nötige Zweidrittelmehrheit geben. Im Gegenzug werden klimasensible Dinge weitergefördert.
ÖVP-Länder wollen Gesundheit Bund überlassen
Vor allem in Sachen Gesundheit – die meisten Bundesländer sehen sich am Rande der Finanzierbarkeit – gehen die Gräben zwischen ÖVP und SPÖ weit auseinander.
„Jahrelang wollte die Roten, dass die Gesundheit zentralisiert wird, jetzt wo wir das wollen, sagen die plötzlich nein“, sagt ein ÖVP-Spitzenvertreter aus den Bundesländern.
Ludwig & Dosko wollen Gesundheit behalten
Und tatsächlich: Die besten roten Parteifreunde – Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Burgenlands Hans Peter Doskozil – sind zumindest in der Frage der Kompetenz bezüglich Gesundheitspolitik einig. Heißt: Im Unterschied zu ihrer Kollegin aus Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, wollen sie die Kompetenzen für medizinische Leistungen und Spitäler nicht an die Bundesregierung oder die österreichische Gesundheitskasse abgeben.
Vor Spitalsschließungen in den Ländern
In Wien ist man dabei die Primärversorgungszentren auszubauen und Schwerpunkt-Spitäler zu erweitern. Mit rigideren „Gast-Patienten“-Regelungen wollen die Roten in der Hauptstadt die Wartezeiten für Operationen verkürzen.
In Niederösterreich überlegt man hingegen bereits die Schließung kleinerer Spitäler – etwas das bekanntlich auch in Oberösterreich und der Steiermark kommen könnte – und ebenfalls Schwerpunktspitäler.
Doskozil wirbt Ärzte ab
Doskozil wiederum wirbt im großen Stil Spitalsärzte aus Graz mit höheren Gehältern für das Burgenland ab und plant tatsächlich eine Med Uni im Burgenland. Das wollen jetzt alle anderen acht Bundesländer abdrehen. Sie streben – zumindest in dieser Frage sind die schwarzen und die zwei anderen roten Landeshauptleute einig – eine bundeseinheitliche Besoldung für Spitalsärzte (öffentliche Krankenhäuser) an.
Ludwig schlägt als Kompromiss in dem Patt um Gesundheit derzeit Gesundheitsregionen an – also, dass sich Wien, Niederösterreich und Burgenland zu einer Gesundheitsregion zusammenschließen sollten und so Ressourcen und Geld sparen könnten.
Das reicht den übrigen Ländern und der Bundes-ÖVP und Gesundheitskasse nicht aus. Sie wollen einen kompletten Tausch: Gesundheit und deren Kosten an den Bund, dafür übernehmen Länder und Gemeinden die bisherigen Bildungskompetenzen und deren Kosten vom Bund. Das solle im Finanzausgleich geregelt werden.
Das wiederum lehnen die Neos strikt ab. Sie hätten gerne sowohl Bildung als auch Gesundheit in Bundeshand.Stocker hat die Devise ausgegeben, dass die Reformen bis Ende 2026 stehen müssten. Den ursprünglich angestrebten Herbst 2025 Plan haben offensichtlich alle beteiligten aufgegeben. Ob das Gesundheitssystem wohl so viel Verzögerung gut aushalten wird?