Ein Politik-Insider von oe24-Politik-Chefredakteurin Isabelle Daniel.
Der erzwungene Rücktritt von Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer könnte einen größeren Wendepunkt für die ÖVP und die Koalition markieren, als auf den ersten Blick sichtbar. Offiziell ging es bekanntlich um eine instinktlose Gehaltserhöhung von 4,2 Prozent für alle Wirtschaftskammerangestellten – tatsächlich war es aber – so berichten es zumindest ziemlich viele Quellen der ÖVP – eine Retourkutsche der Industriellenvereinigung und des schwarz-blauen Flügels im Wirtschaftsbund.
Ein offener Machtkampf, der erstmals wieder zeigt, wie tief die Risse der Schwarz–Blauen Welt wieder sind.
Im Zentrum steht Bundeskanzler Christian Stocker, einst vermeintlicher Architekt von Blau-Schwarz, heute Regierungschef einer fragilen schwarz-rot-pinken Koalition, die von Tag zu Tag schwerer zusammenzuhalten ist. Die öffentlichen Schläge gegen Mahrer "haben teilweise auch ihm gegolten", sagt ein VP–Mann.
VP–Flügel träumt von Kanzler Kickl
Und ein Flügel der ÖVP träumt längst von Neuwahlen – und von einem Kanzler Herbert Kickl, weil man sich davon bessere Startbedingungen bei heiklen Landtagswahlen verspricht. Besonders Oberösterreich gilt bereits als Zitterpartie: Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ. Ein historisches Alarmszenario für die Schwarzen. Dass die ÖVP im Bund dann wohl ins Bodenlose stürzen könnte, scheint da eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Gleichzeitig verschärft sich der Konflikt zwischen Bund und Ländern. Der Bund gibt den Ländern die Schuld an den steigenden Schulden und fordert einen harten Sparkurs – doch Länder, rot wie schwarz, weigern sich, dafür die politische Verantwortung zu übernehmen. Sie sehen die Bundesregierung in der Pflicht, nicht zuletzt im Gesundheitsbereich, wo Wien und andere Länder einen radikalen Sparkurs längst nicht mehr mittragen wollen.
Warnschuss für Stocker und Babler
Während die ÖVP erstmals wieder sichtbar mit sich ringt, kämpft die SPÖ bereits seit geraumer Zeit auf offener Bühne: Dort rumort es vor dem Parteitag im März 2026 gewaltig. Die internen Konflikte wurden zuletzt nur von der ÖVP-Krise übertönt, sind aber keineswegs gelöst.
Die Koalition erlebt politische Schicksalstage. Die Frage ist, ob Christian Stocker – derzeit noch im Home-Office – und SPÖ–Chef Andreas Babler noch die Kraft haben, das Ruder rumzureißen. Die öffentliche Demontage von Harald Mahrer ist mehr als nur ein Warnschuss für beide gewesen.
Die K–Frage der ÖVP
Und dann gibt es natürlich die K–Frage der ÖVP. Damit ist nicht FPÖ–Chef Herbert Kickl, sondern Ex–Kanzler Sebastian Kurz gemeint. Einige in der ÖVP fürchten, er könnte zurückwollen, andere hoffen, dass er zurückkommen werde. Ein Kurz–Intimus meint: "Wenn die alte ÖVP zurückkehrt, in der die Länder wieder das Kommando übernehmen, wird er nicht zurückkehren". Na dann.