Politik-Analyse

Van der Bellens letzte Warnung

Seine Abrechnung mit dem Populismus ist vor allem ein Hinweis an ÖVP und SPÖ nicht Feuer mit Feuer bekämpfen zu sollen. Und offenbar von einer Sorge vor einem "Kanzler Kickl" getragen.

Alexander Van der Bellens "Abrechnung" mit Herbert Kickl, Johanna Mikl-Leitner, Andreas Babler und Co. ist wohl mehr als nur eine persönliche Schelte für blaue, schwarze und rote Politiker. Sie scheint von Sorge getragen zu sein, dass ÖVP und SPÖ zunehmend weiter versuchen könnten die Methoden der FPÖ zu kopieren und in einen Populismus-Wettlauf zu verfallen.

Den hatte es bekanntlich in abgewandelter Form bereits 2017 gegeben. Damals hatte Sebastian Kurz - die FPÖ bezeichnete ihn gar als "Kopiermaschine" - versucht die blauen „Hits“ in höflicher Art zu bespielen. Er errang damals den Platz eins damit. Was viele in der ÖVP - vermutlich auch in der SPÖ - übersehen: Kurz hatte damals den Nimbus des "Neuen", des Jungen, des Politikers, der Hoffnungen wecken konnte.

Wer soll Warnungen vor Kickl noch glauben?

Der Bundespräsident hat gestern in seiner Rede freilich auch einen Punkt erwähnt, der einigen politischen Beobachtern hinter den Kulissen Sorgen bereitet. "Hören Sie auf mit dem Ablenkungskampf um Begrifflichkeiten und Deutungshoheiten. Kämpfen Sie lieber um die besten Lösungen", nennt das das Staatsoberhaupt. Mit Debatten über "Normaldenker", über "Weltuntergangsfantasien" und Klassenkampf von "unten gegen oben" wollen ÖVP und SPÖ tatsächlich immer wieder davon ablenken, dass es auf viele schwierige Fragen unserer Zeit eben keine einfachen Antworten gibt.

Damit werden Emotionen geweckt, die vielleicht kurzfristig von Zukunftsängsten ablenken können, aber sie spielen den Blauen – und die meinte Van der Bellen freilich vorrangig - erst recht in die Hände, scheint die Sorge.

Und vor allem: sie lassen uns immer weiter verrohen, abstumpfen. Van der Bellen nennt das - ein Bild aus den USA ausborgend - die Politik der "zerbrochenen Fenster". Nur, wenn Rot und Schwarz selber mitspielen, wer soll dann ihre Warnungen vor einem "Kanzler Kickl" noch ernst nehmen?

VdB plant in Salzburg nächste Mahnung

Vieles spricht dafür, dass der Nationalratswahlkampf 2024 ein besonders brutaler und schmutziger werden könnte. Die ÖVP scheint wieder Anleihen im Rechtspopulismus zu suchen, die SPÖ im Linkspopulismus. Das hat freilich auch mit ihrer Hilflosigkeit gegenüber dem scheinbar unaufhaltsamen Wandel der FPÖ zu tun.

Van der Bellen hat mit seinen Worten freilich auch versucht erste Antworten auf das Dilemma zu geben. Er skizziert die Themen, – von Herausforderungen im Gesundheitsbereich, Migration und Integration und den Wert der liberalen Demokratie – und bittet: „Bringen wir das Beste in uns und an Österreich zum Vorschein – und nicht das Niedrigste“. Wie dieses „Beste“ ausschauen könnte, möchte er offenbar kommende Woche bei den Salzburger Festspielen genauer skizzieren. Sehr viel mehr als mahnen – allerdings sollte er dabei auch die Grünen nicht ganz vergessen – kann ein Bundespräsident freilich nicht. Aber zumindest das versucht er nun. Ob ihm die Angesprochenen auch wirklich zuhören werden?

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