Die Kampagne gegen tschetschenische Flüchtlinge wird fortgesetzt. Landeshauptmann Jörg Haider will einen generellen Asylstopp.
Asylwerber aus Tschetschenien stehen im Zentrum der politischen Debatte. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider will Tschetschenen das Recht auf Asyl generell entziehen. Er begründete diese Forderung mit „Gewaltexzessen von tschetschenischen Asylwerbern in Kärnten, den schweren sexuellen Übergriffen durch Tschetschenen in Oberösterreich, aber auch der Schengen-Erweiterung, die zu einer massiven Zunahme von Asylwerbern aus Tschetschenien geführt hat“. Generell ortet Haider bei ihnen „ein erhöhtes Gewaltpotenzial“.
Konter von Amnesty
Dieser Meinung tritt Amnesty International
entgegen. Vom angeblich straffälligen Verhalten Einzelner auf alle mit
derselben Herkunft zu schließen, „ist brutale Diskriminierung“, kritisiert
Heinz Patzelt von Amnesty. „Rechtsstaatlich ein Albtraum“ ist für ihn auch
das Vorhaben von Landeshauptmann Josef Pühringer. Der ÖVP-Politiker will
zwei verdächtige tschetschenische Vergewaltiger „ehestmöglich“ abschieben
lassen – ohne ein Gerichtsurteil abzuwarten. „Man sollte hier ein Zeichen
setzen“, so Pühringer. Dagegen Patzelt: „Noch entscheiden unabhängige
Gerichte, und nicht Landesfürsten, was wer auf ihrem heiligen Territorium
darf oder nicht darf.“
Ping-Pong-Spiel
Die Aufregung sei mehr politisch begründet als
durch Tatsachen, argumentieren Hilfs-Organisationen. Zwar kommen mehr
Flüchtlinge seit der Schengen-Öffnung nach Österreich, allerdings sei der
Zustrom von Tschetschenen auch davor schon groß gewesen.
Landeshauptmann Haider schere sich auch nicht um das Grundversorgungsgesetz, das in der Kompetenz der Länder liegt, berichtet Anny Knapp von der asylkoordination. Folglich hätte er die 18 aus Kärnten verwiesenen Flüchtlinge nicht einfach dem Innenressort zurückgeben können, da der Bund nicht mehr zuständig sei. Haider hätte mit Landeshauptmann Erwin Pröll Einvernehmen herstellen müssen. Doch diesen Kontakt hat es laut Prölls Sprecher nicht gegeben.
Wahlkampf
Flüchtlings-helfer aus kirchlichen Kreisen vermuten
hinter der Abschiebe-Aktion der niederösterreichischen Sicherheitsdirektion
ebenfalls die Politik. In Traiskirchen wurden 27 tschetschenische Männer von
ihren Familien getrennt und in Schubhaft gebracht. Sie müssen gemäß Dubliner
Abkommen nach Polen zurückgebracht werden, weil sie dort ihren Erstantrag
gestellt haben. „Frauen erlitten Nervenzusammenbrüche, Kinder weinten, die
Väter wurden in Handschellen abgeführt“, schildert Christoph Riedl von der
Diakonie die Szenen. Der Leiter des Flüchtlingslagers Traiskirchen, Franz
Schabhüttl, berichtet, dass derzeit rund 800 Menschen im Lager
untergebracht seien, etwa so viele wie im Jänner 2007.
(eba)