Im Wiener Ernst Happel-Stadion stellt der Minister am Montagabend die Ergebnisse der ÖVP-Perspektivengruppe vor.
Für eingetragene Homo-Partnerschaften, Familiensplitting und ein neues Zuwanderungsmodell mit "Österreich-Card" spricht sich der Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe Josef Pröll aus. Am Montagabend will der Minister die detaillierten Ergebnisse der Perspektivengruppen im Detail präsentieren - im Wiener Ernst Happel-Stadion.
Am Sonntag gab er in der Fernseh-"Pressestunde" schon einiges bekannt - so auch, dass die ÖVP weiterhin strikt gegen die Gesamtschule auftreten und sich zur Neutralität bekennen werde. SPÖ und Opposition sehen in Prölls Vorschlägen keine Erneuerung der ÖVP.
16 Arbeitsgruppen & 1.000 Vorschläge
Nach der
Wahlschlappe vor einem Jahr hatte die ÖVP eine Perspektivengruppe eingesetzt
und Pröll zu deren Leiter erkoren. Der Umweltminister richtete 16
Arbeitsgruppen ein, die ihm rund 1.000 Vorschläge überreichten. Die fasste
Pröll nun in einem 60- bis 70-seitigen Papier zusammen. Dieses wird er
Montag am Abend im Wiener Ernst-Happel-Stadion präsentieren - und schon am
Vormittag in einer Pressekonferenz Parteichef Wilhelm Molterer überreichen.
Türkei & EU: "dritter Weg"
Molterer hatte am
Samstag klar gestellt, dass er die ÖVP als Spitzenkandidat in die nächste
Wahl führen wird. Und Pröll zeigte in der "Pressestunde"
keinerlei Ambition, ihm das streitig zu machen. In sein Perspektivenpapier
hat Pröll nicht alle Vorschläge der Arbeitsgruppen übernommen. So bekennt er
sich - anders als die Arbeitsgruppe "Europa" wollte - klar zur
Beibehaltung der Neutralität und plädiert in Sachen EU und Türkei für einen "dritten
Weg" sowie eine Volksabstimmung vor einem Beitritt.
Standesamtliche Homo-Partnerschaft
Zur Homo-Partnerschaft hatte
sich die Arbeitsgruppe "Familie" nicht festgelegt, sondern vier
Varianten vorgelegt. Pröll entschied sich, gleichgeschlechtlichen Paaren die
Besiegelung ihrer Partnerschaft vor dem Standesamt zu ermöglichen. Mit
Molterer dürfte das noch nicht abgestimmt sein - denn Pröll kündigte an, für
die Umsetzung seiner Vorschläge "kämpfen" zu wollen.
Alleine steht er in der Partei nicht da: ÖVP-Justizsprecher Heribert
Donnerbauer und Wissenschaftsminister Johannes Hahn unterstützen ihn.
Neuer Weg bei Familienförderung
Als "Revolution"
pries Pröll seinen Vorschlag an, Familien durch ein Familiensplitting
steuerlich zu fördern. ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer freute sich, dass Pröll
das ÖAAB-Modell eines steuerfreien Existenzminimums pro unversorgtem
Familienmitglied aufgenommen habe. Nicht aufgenommen hat Pröll den Vorschlag
der "Familien"-Gruppe, bei Scheidungen eine halbjährige Wartefrist
einzuführen. Und auch ein verpflichtendes zweites Beratungsgespräch vor
einer Abtreibung kommt für ihn nicht in Frage.
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Bildungspolitik und Gratiskindergarten
In der Bildung greift er
den Vorschlag der Arbeitsgruppe weitgehend auf: So besteht Pröll auf die
Beibehaltung von Gymnasium und der - "aufgewerteten" - Hauptschule
und plädiert für den Gratis-Kindergarten. Ab dem vierten Lebensjahr soll der
Kindergartenbesuch halbtags kostenlos sein, ab Fünf in Regionen mit
Sprachproblemen verpflichtend - und für Sechsjährige, die noch
Sprachprobleme haben, will Pröll ein verpflichtendes Vorschuljahr.
"Österreich-Card" für Zuwanderer
In der
Ausländerpolitik bekannte er sich zum "Asyl für alle jene, die
Asyl brauchen", aber auch zu "null Toleranz" gegenüber
Missbrauch. Für die Zuwanderung will er ein neues Modell, die "Österreich-Card",
etablieren. Außerdem greift Pröll den Vorschlag der Arbeitsgruppe "Integration"
auf, mit Österreichern verheirateten Ausländern den freien Zugang zum
Arbeitsmarkt zu gewähren - obwohl Parteifreund, Innenminister Günther
Platter,die Idee abblockte, weil damit Scheinehen "Tür und Tor"
geöffnet würde.
Weitere Details
Die "Kleine Zeitung" wusste in ihrer
Sonntagsausgabe noch einige weitere Details aus Prölls Papier: Ein
gemeinsamer Ethik-Unterricht ergänzend zum Religionsunterricht,
Gratisparkplätze für Familien mit Kindern bis Zwei, Gebührenbefreiung für
Geburten und ein Gratis-Laptop für alle Volksschul-Abgänger.
Abwartende Reaktionen
Bei den anderen Parteien stießen Prölls
Vorschläge weitgehend auf Ablehnung. Nur jener zur Homo-Partnerschaften
wurde von SPÖ-Justizministerin Maria Berger begrüßt; sie hofft, dass Pröll
sich in der ÖVP durchsetzt und somit das Familienrechtspaket - an dem eine
gemeinsame Arbeitsgruppe des Justiz- und Familienressorts gerade arbeitet -
nächstes Jahr beschlossen werden kann. Ein "Fortschrittchen"
wäre das aus Sicht der Grünen Vize-Chefin Eva Glawischnig, aber sie geht
davon aus, dass die ÖVP nicht mitzieht.
SPÖ: "Retrospektiven statt Perspektiven"
Ansonsten
waren die Reaktionen negativ. Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina ist
nun klar, dass "der ÖVP-Erneuerungsprozess, auf den die Leute nach der
ÖVP-Wahlschlappe gehofft haben, abgeblasen" ist. Die ÖVP habe "Retrospektiven
statt Perspektiven" geliefert. Vehement abgelehnt wird von der SPÖ das
Familiensplitting, das ein "alter Hut" und aus gutem Grund in den
70er-Jahren abgeschafft worden sei.
Kritik der Opposition
Auch Glawischnig sieht den Neubeginn "abgeblasen",
die ÖVP bleibe auf dem abgewählten Schüssel-Gehrer-Kurs. BZÖ-Chef Peter
Westenthaler vermisste "neue Perspektiven" und sprach von "reiner
Wählertäuschung". FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht die
ÖVP hingegen "gesellschaftspolitisch immer weiter nach links"
abdriften".