Regierung

"Gemeinsam auf ein Bier" - die besten Sager von Stockers Erklärung

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Trocken, kurz und knackig - Christian Stocker hielt am Freitag seine erste Regierungserklärung, er sprach 31 Minuten. Der neue Kanzler beschwor den Kompromiss - und suchte die Abgrenzung mit der FPÖ. Stocker musste sich nach der Erklärung entschuldigen lassen, er hatte hohes Fieber.

Er stand an diesem Freitag inmitten des größten Regierungsteams seit Jahrzehnten. Damit alle 21 Ministerinnen und Minister sowie Staatssekretäre Platz auf der Regierungsbank haben, mussten die schmäleren Sessel des alten Parlaments revitalisiert werden. Doch der neue Kanzler Christian Stocker ließ sich weder davon noch von hohem Fieber beirren und hielt wie gewohnt ruhig und sachlich seine erste Regierungserklärung - es ist auch die erste einer Dreierkoalition in der Geschichte der Republik.

Kickl beschimpft neue Regierung als Monstrum

Stocker sprach das auch sofort an: "Diese Regierungsbildung war nur möglich, weil alle drei Parteien über ihren Schatten gesprungen sind", sagte er - und meinte FPÖ-Chef Herbert Kickl, der die neue Regierung dann später auch als "Monstrum" beschimpfte.

Vorbilder Figl und Schärf

Und: Der neue Kanzler beschwor die Einigkeit, verwies auf erfolgreiche Koalitionsregierungen angefangen mit Leopold Figl und Adolf Schärf, Julius Raab und Bruno Pittermann. und so weiter: "Weil wir verstanden haben, dass ein Kompromiss keine Niederlage ist. Sondern ein Erfolg für das ganze Land."

Nur 31 Minuten sprach Stocker - nicht ohne seinen Partnern Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) zu danken. und weiter. "Was den Wert von Zusammenarbeit anbelangt, können und sollen sie alle uns heute ein Vorbild sein. Wenn wir aus der Geschichte lernen und heute gemeinsam mit jedem Einzelnen in dieser Republik an einem besseren Morgen für unsere Kinder und Enkelkinder arbeiten, können und werden wir dieses Ziel erreichen."

Babler gegen Kickl-Kettensäge

Babler

Andreas Babler während der Regierungserklärung am 7. März im Parlament.

© APA/HELMUT FOHRINGER
× Babler

Babler bezeichnete sich in seiner Antrittsrede als jemand, "der die Demokratie und die Kompromissfähigkeit feiert". Das Zustandekommen der Dreierkoalition sei lebendiger Ausdruck, dass man das große Ganze hochhalte. Und: "Es ist viel mehr, als dass wir gegen eine FPÖ-geführte Regierung agiert haben." Nichtsdestoweniger warnte er vor den Freiheitlichen. Herbert Kickl hätte nicht nur "die Axt an die Wurzeln der Demokratie gelegt", sondern wäre "gleich mit der Kettensäge" vorgegangen.

Meinl: Über Kompromisse hinausgegangen

Meinl-Reisinger

Aussenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) auf der Regierungsbank am Freitag, 7. März 2025, anl. einer Sondersitzung des Nationalrats mit Regierungserklärung im Parlament in Wien. 

© APA/HELMUT FOHRINGER
× Meinl-Reisinger

Meinl-Reisinger (NEOS) meinte, das Arbeitsprogramm sei "kein Kompromissprogramm", auch wenn man aufeinander zugegangen sei. Aber "wir sind auch darüber hinausgegangen", betonte sie. Als wichtige Punkte nannte sie etwa den vereinbarten Nachhaltigkeitsmechanismus bei den Pensionen, die geplanten Maßnahmen im Bildungsbereich, die Entlastung des Unternehmertums, Integrationsmaßnahmen sowie die geplante Bundesstaatsanwaltschaft.

DAS SIND DIE WICHTIGSTEN SAGER STOCKERS:

  • Stocker zur Dreierkoalition: "Wir haben in den vergangenen Wochen viel Zeit miteinander verbracht - wir haben bis in die Nacht diskutiert, manchmal auch heftiger, aber auch immer wieder zurück zum Konsens gefunden. Das zeigt: Wir haben auch eine menschliche und persönliche Grundlage gefunden, die das Fundament dieser Zusammenarbeit ist. Das Resultat ist eine breite Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS. Eine Mischung aus Bewährtem und Neuem."
  • Dank an VdB: "Diese Regierungsbildung war nur möglich, weil alle drei Parteien über ihren Schatten gesprungen sind. Weil wir verstanden haben, dass ein Kompromiss keine Niederlage ist. Sondern ein Erfolg für das ganze Land. Ich danke Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der den Prozess der Regierungsbildung umsichtig begleitet und bei aller Aufgeregtheit immer Ruhe bewahrt und nie das aus den Augen verloren hat, was am Ende wirklich zählt. Nämlich eine handlungsfähige Regierung für unser Land. Denn das erwarten sich die Menschen in Österreich und das verdienen sie auch."
  • Beispiel Figl-Schärf: "Es war ein entscheidender Moment in der Geschichte der Zweiten Republik und gewissermaßen auch die Geburtsstunde eines neuen Österreichs, als sich Sozialdemokratie und Volkspartei zum ersten Mal die Hand reichten und gemeinsam eine Koalition eingingen. Damals in Regierungsverantwortung: Bundeskanzler Leopold Figl und Vizekanzler Adolf Schärf. Beide sind Persönlichkeiten, die heute parteiübergreifend höchstes Ansehen genießen. Und dieses Ansehen kam nicht von selbst, dieses Ansehen haben sie sich erarbeitet."
  • Stocker für mehr Optimismus: "Wir können nicht alle Umstände, die unser Leben beeinflussen, kontrollieren, aber wir können immer entscheiden, wie wir den Herausforderungen des Lebens und den Herausforderungen in der Politik begegnen. Also haben wir etwas mehr Selbstbewusstsein und vergewissern wir uns unserer Stärken."
  • Stocker beschwört den Konsens: "Vom Wiederaufbau unserer Republik über das Wirtschaftswunder bis hin zum Beitritt zur Europäischen Union und die Überwindung großer Krisen: In den entscheidenden Momenten unserer Republik wurde sichtbar, dass Konsens und Kompromiss nicht Stillstand bedeuten, sondern der Schlüssel zu mutigen Zukunftsentscheidungen sind. Und in all dieser Zeit, in jeder Phase unserer Republik, war es auch die Sozialpartnerschaft, die Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von der Straße an den Verhandlungstisch verlegt hat – ein österreichisches Unikat auf der Weltbühne."
  • Gegen die Spaltung: "Viele sagen, Österreich sei ein tief gespaltenes Land, aus ganz unterschiedlichen Gründen und aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Links gegen rechts, Stadt gegen Land, jung gegen alt, EU-Befürworter gegen EU-Kritiker, um nur einige Beispiele zu nennen. Und in gewisser Weise muss man zugestehen: Ja, oftmals gibt es immer noch Verwundungen zwischen Menschen, auch innerhalb von Familien, die noch nicht ganz verheilt sind. Eines der wichtigsten Ziele dieser Legislaturperiode muss sein, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Und das bedeutet nicht, einer Seite ihre Ansichten zu verbieten und neue aufzuzwingen – ganz im Gegenteil."
  • Stocker für das gemeinsame Bier: "Oftmals hat unsere Gesellschaft verlernt, andere Meinungen zu akzeptieren, und zwar auch dann, wenn sie einem selbst nicht gefallen. Gerne leidenschaftlich zu debattieren, aber immer so, dass man sich danach noch in die Augen schauen kann. Da hilft es vielleicht auch, dass alle Parteichefs der Koalitionsparteien - Andreas Babler in Traiskirchen, Beate Meinl-Reisinger in Wien und ich selbst in Wiener Neustadt - das politische Handwerk in der Kommunalpolitik gelernt haben. Und in der Kommunalpolitik ist es ganz normal, dass man andere Meinungen, andere Parteien, einbindet und sich alle, auch nach einer hitzigen Gemeinderatssitzung, noch in die Augen schauen und wieder auf das sprichwörtliche oder auch das wortwörtliche gemeinsame Bier gehen können. Dieser kommunalpolitische Ansatz würde uns als Bundespolitik und auch Teilen der Gesellschaft sehr guttun."
  • Erstmals zu Dritt: "Die Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS ist eine Mischung aus Bewährtem und Neuem. Aber was ist das Neue? Zum einen: Wir sind erstmals in der Geschichte unseres Landes zu dritt. Drei konstruktive Kräfte teilen sich die Verantwortung für Österreich. Der Eintritt von drei Parteien in diese Bundesregierung macht diese Koalition nicht nur stabiler und breiter, sondern schafft zusätzliche Blickwinkel und damit einen echten Mehrwert für unser Land."

Klare Ansage bei Migration

  • Stocker zu Integration: "Wir setzen den Kampf gegen illegale Migration, den Missbrauch des Asylsystems und gegen Extremismus fort und stellen ohne ‚Wenn‘ und ‚Aber‘ klar: Wer dauerhaft bei uns leben will, muss unsere Werte verinnerlichen, unsere Sprache erlernen und arbeiten gehen, etwas zu unserer Gesellschaft beitragen. Deshalb führen wir ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab dem ersten Tag ein. Während der Integrationsphase, die bis zu drei Jahre dauert, wird es nur eine reduzierte Sozialunterstützung geben. Wir wollen die Verpflichtung schaffen, dass jeder, der vom Staat etwas bekommt, auch etwas leisten muss. Sei es durch Arbeit oder eine gemeinnützige Tätigkeit. Und zum Schutz von unmündigen minderjährigen Mädchen erarbeiten wir ein verfassungskonformes gesetzliches Kopftuchverbot."

Das ist das Schlusswort Stockers:

"Wir haben in den Gesprächen der letzten Wochen – und zwar alle: Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS – den Konsens und Kompromiss vor die Ideologie gestellt. Wir haben uns nicht wechselseitig auf Minimalkompromisse herunter verhandelt, sondern die Prioritäten aller Parteien zu einem gemeinsamen Programm vereint. Diesen Geist des Kompromisses, des gegenseitigen Verständnisses werde ich als Bundeskanzler in der Regierung aufrechterhalten. Es wartet mehr als genug Arbeit auf uns. Wenn wir aber weiter nach dem Prinzip vorgehen „nicht wir gegeneinander“, „sondern wir gemeinsam für Österreich“, dann bin ich optimistisch, dass wir am Ende der Legislaturperiode in einem noch besseren Österreich leben."

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