Auch nach dem Krisenstiftungsrat vom Donnerstag gibt es noch keine Lösung der ORF-Finanz-Misere.
Kein Zeitplan, keine Aussagen - die Verhandlungen der Koalition über die Neuordnung der GIS-Gebühr finden offenbar in einer Blackbox statt. Wenn überhaupt welche stattfinden. Dabei drängt die Zeit, die an sich routinemäßige Sitzung des ORF-Stftungsrat am Donnerstag geriet zu einem Krisengipfel.
Zwar soll das Budget für 2023 noch mit einem Ergebnis von 0,3 Millionen Euro noch ausgeglichen ausfallen und wurde von den Stiftungsräten einstimmig beschlossen. Die Umsatzerlöse sollen 2023 mit 1,025 Milliarden Euro etwas höher als 2022 (ca. 998 Millionen Euro geplant) ausfallen. Das per GIS-Gebühr eingehobene Programmentgelt wird laut Prognose rund 676 Millionen Euro davon ausmachen (2022 ca. 664 Millionen Euro geplant), die Werbeerlöse ca. 218 Millionen Euro (2022 ca. 211 Millionen Euro) und sonstige Umsatzerlöse ca. 131 Millionen Euro (2022 rund 124 Millionen).
Riesige Finanzlücke von 290 Millionen Euro
Der ORF befinde sich in herausfordernden Zeiten, stellte Weißmann im Anschluss an die Sitzung vor Medien fest. "Man muss sich die Frage stellen: Was ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk wert?" Er selbst wolle den ORF etwa als Partner der Film-, Musik- und Kreativwirtschaft erhalten und dem Publikum weiterhin das bestmögliche Programm liefern. Doch gleichzeitig könne man nicht mehr ausgeben, als an finanziellen Mitteln vorhanden sei, so Weißmann. "Was wir an finanziellen Mittel bekommen, bleibt abzuwarten. Wir kämpfen aber für eine ausreichende Finanzierung", betonte er. Tatsächlich droht von 2024 bis 20ß26 eine Finanzlücke von 290 Millionen Euro - und Weißmann hat seinerseits keinen Sparplan parat.
Hintergrund für die angespannte finanzielle Lage des ORF ist einerseits die starke Teuerung, die das heuer in Kraft getretene Gebührenplus von acht Prozent bereits im ersten Jahr der fünfjährigen Gebührenperiode übertreffen und in Kombination mit weiteren Faktoren wie GIS-Abmeldungen zu deb hohen Millionenverlusten ab 2024 führen dürfte. Andererseits muss der Gesetzgeber nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), wonach künftig auch für das Streamen von ORF-Programm Gebühren zu entrichten sind, die ORF-Finanzierung auf neue Beine stellen. Im Raum steht eine etwa auf Geräte wie Laptops erweiterte GIS, eine Haushaltsabgabe oder eine Finanzierung aus dem Bundesbudget. Der Gesetzgeber hat sich diesbezüglich noch nicht festgelegt, die Regierung hält auf die Verhandlungen den Deckel drauf. Auch im ORF weiß man nicht, was dabei herauskommt.
"Am Ende des Tages werden wir alle Entscheidungen akzeptieren und entsprechend handeln", wollte sich Weißmann nicht auf ein präferiertes Modell festlegen. Er zeigte sich weiterhin zuversichtlich, dass der Gesetzgeber rechtzeitig eine Lösung liefern werde. "Wir wären aber schlechte Kaufleute, ohne Plan B in der Tasche", sagte der ORF-Chef.
Wie wird die GIS-neu?
ORF-Stiftungsratsvorsitzender Lothar Lockl sprach von einer "sehr ernsten" Lage für das öffentlich-rechtliche Medienhaus. Er betonte: "Der ORF spart und arbeitet effizient." Das werde auch in Zukunft so sein. Man brauche aber Möglichkeiten, um zu investieren und das Publikum zu erreichen.
Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, sagte, dass man mit dem Budget 2023 Handlungsfähigkeit erlangt habe. Die Jahre danach erarbeite man noch - etwa im Rahmen einer Sondersitzung des Finanzausschusses im Februar. Eine präferierte Variante für die künftige Finanzierung des ORF wollte auch er nicht nennen. Sie müsse nur rechtzeitig beschlossen werden, um die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu gewährleisten. "Wir sind in einem sehr engen Zeitkorsett", konstatierte Zach. Auch darauf, wie hoch die Finanzierung des ORF künftig ausfallen müsse, nannte er keine konkrete Zahl. Klar sei jedoch, dass in den nächsten Jahren eine "Lücke aufgeht", die ohne der massiven Teuerung wohl geschlossen wäre. Zach zeigte sich zudem überzeugt, dass der Stiftungsrat mit seiner gegenwärtigen Aufstellung die "bestmögliche Voraussetzung" zur Bewältigung der Lage aufweise.
ORF will 740 Mio. im Jahr - 80 mehr als bisher
Auch Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat, forderte die Regierung auf, den "Zeitverlauf" für die Neuregelung der ORF-Finanzierung nicht aus den Augen zu verlieren. Er erhofft sich eine künftige Budgetierung in Höhe von ca. 740 Millionen Euro pro Jahr und damit rund 80 Millionen Euro mehr als heuer. Lederer plädierte dafür, alle drei künftigen Finanzierungsvarianten - GIS-neu, Bundesbudgetfinanzierung, Haushaltsabgabe - "am Leben zu erhalten". Als Notfallplan müsse aber eine GIS-neu ausgearbeitet werden. Und diese müsse auch "schneller und effektiver arbeiten", stellte Lederer Optimierungsbedarf fest. Auch solle sich die ORF-Geschäftsführung um die Refundierung von GIS-Gebührenbefreiungen vom Staat bemühen.