Die SPÖ-Chefin attackierte auf dem Parteitag die ÖVP und Kanzler Kurz scharf. Lediglich 75 Prozent wählten sie am Samstagnachmittag zur Parteichefin, im Jahr 2018 hatte sie noch 97,8 Prozent erreicht.
Pamela Rendi-Wagner ist von einem Parteitag in Wien als Vorsitzende der SPÖ bestätigt worden. Das Ergebnis von 75,3 Prozent war aber durchaus enttäuschend. Vor drei Jahren bei ihrer ersten Kür waren es noch 97,8 Prozent gewesen. In ihrer Parteitagsrede hatte Rendi-Wagner davor de facto eine Zusammenarbeit mit der ÖVP um Sebastian Kurz ausgeschlossen: "Mit mir an der Spitze der Sozialdemokratie wird es keine Regierungskoalition mit dem System Kurz geben."
Abrechnung mit "System Kurz"
Die Abrechnung mit dem "türkisen System" nahm breiten Raum in der kantigen, großteils frei vorgetragenen Rede ein. Ein nie da gewesener moralischer Tiefstand sei erreicht worden, konstatierte die SPÖ-Chefin in ihrer dreiviertelstündigen Ansprache. Von "zügellosem Treiben" und "Hochmut" war die Rede. Justiz, Medien, Kunst und Kultur und katholische Kirche würden von einer "türkisen Führungstruppe" unter Druck gesetzt, "die eine ehemals staatstragende Partei gekidnappt hat". "Wie weit soll dieses zügellose Treiben noch gehen", fragte sich Rendi-Wagner und versicherte begleitet von freundlichem Applaus: "Wir werden uns diesem Hochmut mit aller Kraft entgegenstellen."
Inhaltlich positionierte sich die Parteichefin deutlich links der Mitte: "Mehr privat, weniger Staat ist gescheitert." Folgerichtig warb sie für staatliche Beteiligungen. "Made in Austria" sollte wieder in den Vordergrund rücken. Auch kürzere Arbeitszeiten stehen weit oben auf Rendi-Wagners aktueller Agenda. Die Massenarbeitslosigkeit sei ein "Skandal für das Land". Das Gegenrezept der SPÖ-Vorsitzenden: "Es gibt keinen wirksameren Jobmotor als die Verkürzung der Arbeitszeit, warb sie für die staatlich geförderte Vier-Tage-Woche.
Die Krisenkosten dürften nicht an den Arbeitenden hängen bleiben, verlangte Rendi-Wagner. Stattdessen müssten die Online-Multis ihren "gerechten Beitrag" leisten, auch die Millionäre und Milliardäre über Vermögens- und Erbschaftssteuern: "Breite Schultern müssen schwerere Lasten tragen können."
Mega-Wahlschlappe
Die Delegierten - 589 gaben die Stimme ab - belohnten die Rede nicht. Die 69,8 Prozent von Bruno Kreisky aus dem Jahr 1967 nach dem Duell mit Bruno Pittermann bleiben zwar das schwächste Ergebnis eines SPÖ-Vorsitzenden bei der Vorsitzwahl, Rendi-Wagner fährt jedoch das historisch schwächste Ergebnis bei einer Wahl ohne Gegenkandidaten ein. Werner Faymann hatte bisher mit 83,4 Prozent den Minusrekord inne gehabt.
Auch andere Präsidiumsmitglieder konnten nicht sonderlich reüssieren, darunter mit dem niederösterreichischen Landesvorsitzenden Franz Schnabl (83,5 Prozent) ein Rendi-Wagner-Kritiker. Ebenfalls die 90 Prozent verpassten der Tiroler Chef Georg Dornauer (86 Prozent) und die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (knapp 89). Im Vorstand blieben alle Kandidaten über 90 Prozent.
Inhaltlich stehen zehn Leitanträge im Mittelpunkt, in denen unter anderem eben eine Arbeitszeit-Verkürzung, Reichen- und Erbschaftssteuern sowie die Abschaffung von Selbstbehalten im Gesundheitswesen gefordert werden. Die Anträge gibt es übrigens erstmals nicht in Papierform, sie sind nur auf einer eigens eingerichteten Website parteitag.spoe.at abrufbar.
ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior fand in einer Aussendung die von der SPÖ beim Parteitag "zur Schau gestellte Aggressivität äußerst bedauerlich" Es sei das Wesen einer Demokratie, Kompromisse zu finden und über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Die ÖVP befinde sich trotz aller Unterschiede in einer funktionierenden Koalition mit den Grünen: "Anderen Parteien aber sozusagen präventiv eine Koalitionsabsage zu erteilen und auf einem sturen Nein zu beharren, wird die Probleme unseres Landes nicht lösen." Sein FPÖ-Pendant Michael Schnedlitz ortete beim Parteitag "Chaos, SPÖ-Nostalgie und Konzeptlosigkeit": "Der Appell an die Zeit von Bruno Kreisky, die von Rendi-Wagner demonstrativ zur Schau gestellte 'Abgrenzung' zu Sebastian Kurz und die gleichzeitige Anbiederung des Wiener Bürgermeisters an die Kurz-ÖVP sind Zeugnis der inneren Zerrissenheit dieser ehemals staatstragenden Partei."
Was die Parteifinanzen angeht, beharrte SPÖ-Finanzreferent Christoph Matznetter darauf, dass man bis Ende 2024 die Schulden abgebaut haben werde. Jährlich würden 2,5 bis drei Millionen bei den Banken getilgt.
Der Parteitag konnte in Präsenz abgehalten werden. Es herrschte am Veranstaltungsort die 3G-Regel. Masken durften nur am Sitzplatz abgenommen werden. Gäste waren nur eingeschränkt vor Ort zugelassen, darunter neben dem Ehemann der Vorsitzenden Alt-Bundespräsident Heinz Fischer, Ex-Kanzler Franz Vranitzky und zahlreiche ehemalige Minister wie Peter Jankowitsch, Lore Hostasch und Hannes Androsch. Grußbotschaften per Video kamen u.a. von den Ministerpräsidenten Spaniens, Dänemarks, Schwedens und Portugals, Pedro Sanchez, Mette Frederiksen, Stefan Löfven und Antonio Costa.