TV-Boss über ORF & Wrabetz

RTL-Boss Zeiler rechnet ab

Teilen

Er tritt nicht als ORF-General an und gibt Politik Schuld dafür.

Am 9. August wird der neue ORF-Chef gewählt. Seit gestern hat der amtierende General Alexander Wrabetz (50) keinen ernstzunehmenden Gegenkandidaten mehr. In einem „profil“-Interview blies Gerhard Zeiler (schon zwischen 1994 und 1998 ORF-Boss) seine Kandidatur ab – und teilte Richtung Politik aus (siehe unten).

Zeiler (immerhin Sekretär von zwei SPÖ-Kanzlern) sollte als Kandidat der ÖVP (!) gegen SPÖ-Mann Wrabetz ins Rennen geschickt werden. Bei Sondierungsgesprächen bei Politikern in den letzten Wochen in Wien hatte er aber festgestellt, dass er chancenlos ist. Zeiler (verdient 2,1 Millionen Euro im Jahr – sechsmal so viele wie Wrabetz) bleibt nun CEO der RTL-Group (41 TV-Stationen in 10 Ländern).

Zeiler: "Nicht Herr im eigenen Haus"

Über seine geplante ORF-Kandidatur: Ja, ich gebe zu: Ich habe überlegt, mich als ORF-Generaldirektor zu bewerben. Die Gründe dafür waren relativ einfach: Ich bin mit Leib und Seele Österreicher ... Die Aussicht, dem ORF bei der Bewältigung seiner nicht unbeträchtlichen Probleme helfen zu können, hat mich durchaus überlegen lassen.

Warum er aufgibt: Ich habe schon nach wenigen Gesprächen erkannt, dass es bei der Frage, wer der nächste ORF-Generaldirektor werden soll, wesentlichen Teilen der Politik nicht darum geht, wer das Unternehmen am besten führen kann, sondern wer willfährig parteipolitische Personalwünsche umsetzt.

Seine Treffen mit Politikern: Ein Gespräch mit dem Bundeskanzler hat es gegeben. Das war im Frühjahr 2009, als er Alexander Wrabetz los werden wollte. Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, den ORF zu führen. Damals war meine Antwort: Wenn es wirklich ein breiter Wunsch wäre und man den ORF so führen könnte, dass er erfolgreich sein kann, würde ich es mir überlegen. Dann habe ich nichts mehr gehört – bis heute.

Über die ORF-Führung: Es ist ein Problem, wenn eine ORF-Führung heute nicht Herr im eigenen Haus ist und glaubt, nur dann gewählt zu werden, wenn sie politische Postenbesetzungen akzeptiert. Das schadet dem Unternehmen nachhaltig.

Über Freiheit im ORF: Das Problem, dass die Politik Einfluss auf die wesentlichen Positionen des ORF-Personals nimmt, gab es schon immer. Aber in den meisten Perioden reichte das nur bis zur Direktionsebene und nicht noch zwei Ebenen weiter nach unten.

Ob es einen unpolitischen ORF geben kann
: ... Da gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle: Je nördlicher, etwa in Skandinavien oder Großbritannien, desto unabhängiger sind die öffentlichrechtlichen Unternehmen. Je südlicher, desto regierungslastiger sind sie. Österreich ist diesbezüglich ein sehr südliches Land.

Seine eigene Wahl 1994
: Ich habe keine Partei gefragt, als ich meine Direktoren ausgesucht habe, sondern ich habe die Parteien darüber informiert.

Wie er jetzt VP-Kandidat wurde: ... Bei diesen Gesprächen gab es kein einziges unmoralisches Angebot. Mir wurde gesagt: Wir würden uns freuen, wenn Sie es sich überlegen und kandidieren. Wir erwarten von Ihnen nicht, dass Sie uns irgendwelche Personalwünsche erfüllen.

Über den Zustand des ORF: Der ORF hat ein kreatives Problem, er hat ein finanzielles Problem und er hat strukturelle Probleme. Aber alle diese Probleme sind lösbar.

Über seine TV-Philosophie: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk darf nicht schwanken zwischen seinem Auftrag im Bereich Kultur, Nachrichten und Dokumentation und dem Unterhaltungsauftrag auf der anderen Seite. Nur wenn man beide Seiten bedient ... kann öffentlich-rechtlicher Rundfunk erfolgreich sein.

Über den heutigen Kurier-Chefredakteur:
Helmut Brandstätter hat es leider nicht überwunden, dass ich ihn als Geschäftsführer von n-tv absetzen musste, weil es sonst diesen Sender heute nicht mehr geben würde.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.