Salzburg ist ab heute für zwei Tage Zentrum der EU-Politik.
Am Höhepunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft kommen die 28 Staats- und Regierungschefs der Union zu einem informellen Gipfel in der Mozartstadt zusammen. Die Themen - Brexit und Asyl- und Migrationspolitik - sind herausfordernd. Begleitet wird das Spektakel von verschärften Sicherheitsvorkehrungen und Protestveranstaltungen.
Brexit: Die Zeit drängt
Die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU dürften die Staats- und Regierungschefs dabei mehr beschäftigen, als ursprünglich geplant. Da die Gespräche zwischen London und Brüssel in den vergangenen Monaten kaum vorangekommen sind, die Zeit aber drängt, wird erwartet, dass in Salzburg eine Verlängerung der Verhandlungen bis in den November hinein vereinbart und ein Brexit-Sondergipfel für November bekanntgegeben wird. Ein Ausscheiden des Vereinigten Königreichs ohne weitreichenden Vertrag mit der EU sei immer noch möglich, schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk am Dienstag in seinem Einladungsbrief zum EU-Gipfel. Am Donnerstag wird EU-Chefverhandler Michel Barnier die verbleibenden EU-27 bei einem Mittagessen über den Stand der Dinge informieren.
Offiziell beginnt der Gipfel mit einer Debatte zur Migration am Mittwochabend in der Felsenreitschule. Tusk will dabei über seinen jüngsten Besuch in Ägypten mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) informieren, einschließlich Möglichkeiten zur künftigen Zusammenarbeit bei der Migration. Während ihres letzten Treffens Ende Juni hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Errichtung von "Anlandeplattformen" für im Mittelmeer gerettete Flüchtende in nordafrikanischen Staaten geeinigt. Bisher hat jedoch keines der geografisch infrage kommenden Länder Bereitschaft und Willen signalisiert, solche Zentren auf ihrem Staatsgebiet beherbergen zu wollen.
Stärkung und Aufstockung von Frontex
Der österreichische EU-Vorsitz will zudem die Stärkung und personelle Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex in den Mittelpunkt der Beratungen stellen. Laut Kommissionsplänen soll Frontex bis 2020 von derzeit rund 1.600 auf 10.000 Mann aufgestockt werden und umfassender Kompetenzen erhalten. Bei letzterem Vorhaben haben allerdings bereits mehrere Länder wie beispielsweise Ungarn Bedenken angemeldet. Ein Durchbruch in Sachen Asylpolitik ist beim Gipfel in Salzburg also nicht zu erwarten. Tusk warnte nichtsdestotrotz: Die Zahlen seien wieder auf einem Niveau wie vor der "Krise", doch "wenn manche die Krise lösen wollen, während andere sie benutzen wollen, bleibt sie unlösbar".
Das offizielle Thema des informellen Treffens, bei dem keine Beschlüsse vorgesehen sind, geht inmitten der Brexit- und Migrationsdiskussion etwas unter: Innere Sicherheit. Dazu soll es unter anderem eine Debatte zu Cybersicherheit sowie der Ankündigung von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker geben, dass terroristische Propaganda binnen einer Stunde vom Netz genommen werden soll.
Skripal-Affäre großes Thema
Überraschenderweise soll auch die Skripal-Affäre Thema der Gespräche der Politiker sein. So will die britische Premierministerin Theresa May über die jüngsten britischen Geheimdiensterkenntnisse nach dem Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter berichten. Mit keinem Wort soll übrigens beim Gipfel die Rechtstaatlichkeit in Ungarn oder Polen angesprochen werden.
Noch vor Beginn des Gipfels finden am späten Nachmittag Treffen der zwei größten Fraktionen im EU-Parlament - der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) - statt. Mit besonderer Spannung wird dabei der Auftritt von Noch-SPÖ-Chef Christian Kern erwartet, nachdem dieser am Dienstag überraschend seinen Rückzug von der Parteispitze und den Wechsel auf die europäische Bühne angekündigt hatte. Kern will als SPÖ-Spitzenkandidat in die EU-Wahl gehen. Möglich ist auch, dass er sich für die Spitzenkandidatur der europäischen Sozialdemokraten bewerben wird.
Beeinträchtigungen für Salzburger Bevölkerung
Für die Salzburger Bevölkerung wird es insbesondere am Donnerstag zu Beeinträchtigungen kommen. Während sich das offizielle Salzburg über den "unbezahlbaren" touristischen Werbewert und zusätzliche rund 4.000 Übernachtungen freut, müssen sich die Salzburger auf einige Verkehrsbehinderungen einstellen. So werden in der Innenstadt drei Platzverbote verhängt. Insgesamt sind 1.750 Polizisten im Einsatz, mehr als 850 Soldaten mit zwölf Flächenflugzeugen und zwölf Hubschraubern sorgen für Schutz aus der Luft. In einem 60-Kilometer-Radius rund um den Veranstaltungsort wurde dazu von Mittwoch, 13.00 Uhr, bis Donnerstag, 20.00 Uhr, ein Flugbeschränkungsgebiet verordnet. Der Linienflugverkehr ist davon aber nicht betroffen.
Für die Dauer des Gipfels ist außerdem das Schengen-Abkommen teilweise außer Kraft gesetzt. Bis zum 21. September wird an allen Grenzübergängen von Bayern nach Salzburg kontrolliert. Begleitet wird das informelle Treffen auch von einer Reihe von Protestveranstaltungen. Bereits seit einer Woche läuft ein "Alternativgipfel" des Netzwerks "Solidarisches Salzburg" unter dem Titel ""A better future for all". Am Mittwoch findet eine erste Protestveranstaltung statt, für eine Demonstration am Donnerstag vom Bahnhof in den Volksgarten werden von Veranstalterseite rund 1.000 Teilnehmer erwartet.