ÖSTERREICH-Interview

Schelling: "Klares Ja zur Steuersenkung"

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Finanzminister Hans Jörg Schelling über Steuerreform und sein Privatvermögen.

Er hat sich zum Tom Turbo von Österreichs Innenpolitik entwickelt: Hans Jörg Schelling will im Rekordtempo Steuerreform, Verwaltungsreform und Budgetkonsolidierung durchbringen. Dafür düst er derzeit durchs Land. Um 6. 30 Uhr wartet bereits der Chauffeur vorm Haus in St. Pölten, vor Mitternacht ist er nicht zurück. Dazwischen: Termine im 20-Minuten-Takt.

Am Freitag nahm sich Schelling Zeit für sein erstes Interview mit ÖSTERREICH, sein ausführlichstes Interview seit dem Überraschungs-Start vor 6 Tagen.

Er sagt darin die Steuersenkung um 4 Milliarden an. Und er spricht auch erstmals über sein Vermögen: „Unter 10 Millionen“ soll ihm der Verkauf seiner XXXLutz-Anteile nur gebracht haben, die er in eine Stiftung transferierte – deutlich unter 10 Millionen sei sein Gesamtvermögen. „100 Millionen“, so Schelling lachend, „sind ein Märchen!“

Gleich nach dem ÖSTERREICH-Interview fuhr er übrigens zum Notar, um all seine Unternehmen und Beteiligungen abzugeben. Sogar sein geliebtes Weingut überträgt er der Tochter.

Den Sonntag verbringt Schelling im Kanzleramt. Den ganzen Nachmittag will er dort mit Kanzler und Vize die Grundzüge der Steuerreform erarbeiten. Tom Turbo eben...
 

"Brauchen vier Milliarden für Steuersenkung"

ÖSTERREICH: Herr Minister Schelling, Sie sind von einer Minute zur anderen ins schwerste Amt der Republik katapultiert worden. Fühlen Sie sich eigentlich, wie wenn Sie ein Tsunami erfasst hätte?
Hans Jörg Schelling: Tsunami ist leicht übertrieben. Aber es ist schon turbulent, es rüttelt mich schon durch. Ich habe Montag um 12 Uhr das Ressort übernommen, um 13 Uhr hatte ich schon die erste Sitzung mit den Sektionschefs – wo stehen wir? Was muss jetzt geschehen? Und seither geht’s rund. Ich fahr in der Früh um 6.30 Uhr bei mir zu Hause in St. Pölten weg –und bin vor Mitternacht nicht zurück. Aber es macht Freude. Und ich bin Optimist – ich schaffe das! Ich gebe Vollgas.

ÖSTERREICH: Ihre ersten Interview-Auftritte waren defensiver als erwartet. Das klare Ja zur Steuersenkung hat bisher gefehlt.
Schelling: Hatte man diesen Eindruck? Ich wollte nur von Beginn an die Verantwortung eines Finanzministers verdeutlichen, der mit dem Geld der BürgerInnen haushalten muss. Da können Sie nicht gleich sagen, ich verschenke vier Milliarden an Steuersenkung, ohne das vorher von den Experten gewissenhaft geprüft zu haben.

ÖSTERREICH: Sie haben ein bisschen verzweifelt gewirkt. Ist die Budget-Situation dramatischer als erwartet?
Schelling: Nein. Da kann ich gleich Entwarnung geben. Alle Prognosen im Haus sagen: Das Budget 2014 hält. Die Einnahmen im ersten Halbjahr sind gut gelaufen. Wir werden deutlich unter 3 % Budgetdefizit liegen, also bei etwa 2,7 % – da gibt es keinen Alarm. Und das strukturelle Defizit liegt bei etwa 1 %. Keine Panik.

ÖSTERREICH: Die Frage aller Fragen: Sind Sie jetzt für eine Steuersenkung? Ja oder nein?
Schelling: Klares Ja. Ich stehe hundertprozentig zur Steuerreform. Ein Teil davon ist die Entlastung – aber nur ein Teil davon. In Wahrheit habe ich drei große Zielsetzungen: Die Budgetkonsolidierung. Das Ankurbeln von Wachstum und Beschäftigung. Und die Steuerreform. Und das muss zusammenpassen.

ÖSTERREICH: Sind Sie für die Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 % ?
Schelling: Ja. Auf bis zu 25 %. Das ist der Beschluss, und der wird umgesetzt. Die Experten erarbeiten bis Ende des Jahres das Modell. Das garantiere ich. Dann soll bis März die politische Diskussion erfolgen und bis Juni der Beschluss. Dann beginnen wir mit der Umsetzung. Ob das auf einmal oder besser in Etappen geht, das wird man sich dann anschauen müssen. Das hängt von der wirtschaftlichen Lage ab.

ÖSTERREICH: Also in Etappen. Weil die wirtschaftliche Lage nicht gut genug ist.
Schelling: Das werden wir sehen. Die Prognosen von Wifo und IHS kommen Mitte September. Ich fürchte, sie werden unter 1 % Wachstum liegen. Und ich will betonen: Ich fühle mich der Budgetkonsolidierung, also dem Stabilitätspakt, den wir mit der EU haben, verpflichtet. Das strukturelle Defizit darf nicht wachsen. Meine Meinung ist: Österreich hat ein Ausgabenproblem. Die erste Aufgabe muss sein: Ausgaben in den Griff bekommen!

ÖSTERREICH: Sind Sie eher ein Sparefroh, also defensiv wie Spindelegger – oder eher ein Dynamo, also offensiv auf Wachstum orientiert?
Schelling: Ich will beides sein. Ein guter Finanzminister ist ein Sparefroh bei der Budgetkonsolidierung, die bei mir oberste Priorität hat. Und natürlich ein Dynamo, wenn er alle Einsparungen für mehr Wachstum und Entlastung einsetzt. Ich will beides sein.

ÖSTERREICH: Und wie wollen Sie das schaffen?
Schelling: Zuerst einmal den Förderdschungel durchforsten. Da ist viel Potenzial drin. Und dann so rasch wie möglich die Verwaltungsreform angehen. Gemeinsam mit den Ländern alles effizienter machen, so wie ich das schon bei den Kassen getan habe.

ÖSTERREICH: Wird es eine Steuerreform ohne neue Steuern gehen?
Schelling: Aus meiner Sicht braucht es keine neuen Steuern. Wir werden die 4 Milliarden, die es für die Steuerreform braucht, mit Verwaltungsreform und Einsparungen heben. Das ist das Ziel.

ÖSTERREICH: Sie werden also für Ihr kolportiertes Vermögen von 100 Millionen keine Vermögenssteuer zahlen müssen?
Schelling: (lacht) Es wird keine Vermögenssteuer geben. Aber nicht wegen mir, sondern weil neue Steuern den Mittelstand und Betriebe treffen. Und ich hab nicht einmal den Bruchteil der 100 Millionen, die Sie und manche Medien mir angedichtet haben.

ÖSTERREICH: Sondern wie viel?
Schelling: Nicht einmal ein Zehntel, deutlich einstellig.

ÖSTERREICH: Wie viel haben Sie denn für den Verkauf der 12 % an Möbel Lutz, der damals laut Trend 1,2 Milliarden wert war, bekommen?
Schelling: Ich bitte um Verständnis, dass das Privatsache ist. Aber es war ein Vertrag, der nur 12 % an der Betriebsgesellschaft beinhaltet hat, nicht am Eigentum, den Immobilien... Und das waren deutlich unter 10 Millionen. Ganz ehrlich: Ich hab ein schönes, kleines Vermögen im einstelligen Bereich, aber von 100 Mio. bin ich weit entfernt. Das sind Märchen.

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