ÖSTERREICH-Interview

Schelling: "Reform ist ohne neue Steuern möglich"

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ÖSTERREICH begleitete Finanzminister zum Treffen der Weltbank nach Washington.

Als Top-Manager sei er „regelmäßig in den USA gewesen, um sich Ideen zu holen“, erzählt Hans Jörg Schelling im ÖSTERREICH-Gespräch in Washington. Als VP-Finanzminister hat er hier beim Treffen der Weltbank Termine im Halbstundentakt. Gefreut hat ihn, dass der IWF – der Weltwährungsfonds – Österreichs Wirtschaftsprognose positiver einstufte als heimische Institute.

Steuerreform: Schelling plant Überraschungen
Für die Steuerreform plant Schelling – so deutet er im ÖSTERREICH-Interview an – Überraschungen. Wirklich aufhorchen lässt der Ex-Wirtschaftskammer-Vizegeneral aber mit Ansagen zur Bildungsreform: Hier müsse etwas passieren. Die Neue Mittelschule sei eigentlich „gescheitert“.

Er stehe zum Bildungs­reform-Papier der Wirtschaftskammer. Diese kann sich freilich – genauso wie die Industriellenvereinigung – eine gemeinsame Schule vorstellen …

Schelling: "Reform ist ohne neue Steuern möglich"

ÖSTERREICH: Sie sind jetzt seit sechs Wochen Finanzminister. Ist die Umstellung von der Privatwirtschaft groß?
Hans Jörg Schelling: Es gibt sehr große Unterschiede in den Arbeitsweisen. Aber das war mir durch meine Tätigkeit im Hauptverband klar. In der Politik geht es nicht nur um modernes Management. Man braucht auch viel mehr Geduld. Und das Finanzministerium ist natürlich der herausfordernste Job, indem man alle halben Stunden mit einem neuen Thema konfrontiert wird.

ÖSTERREICH: Welche Stiländerungen wollen Sie vornehmen?
Schelling: Man darf das Pferd nicht immer von hinten aufzäumen. Das ist bei der Steuerreform, bei der Bildung und der Heeresreform passiert. Zunächst muss man sich ein klares Ziel setzen. Ich habe in der lähmenden Debatte um eine Steuerreform bereits nach vier Wochen ein Resultat geschafft und die Blockade gelöst: Wir haben uns auf ein Volumen von fünf Milliarden Euro geeinigt, anstatt weiter über Gegenfinanzierungen zu streiten. Die hängen ja auch mit der Art der Reform ab.

ÖSTERREICH: Aber es werden Steuern dafür erhöht werden müssen, oder?
Schelling
: Nein, aus meiner Sicht ist eine Steuerreform in Etappen ohne neue Steuern möglich.

ÖSTERREICH: Sie wollen nicht nur eine Steuersenkung, sondern auch ein Konjunkturpaket in die fünf Milliarden inkludieren, oder?
Schelling:
Darüber werden wir gemeinsam diskutieren. Deswegen rede ich immer von einer echten Reform. Wir brauchen einerseits Maßnahmen, die die kalte Progression vorerst ausgleichen, um die Kaufkraft zu stärken. Andererseits aber auch Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln. Die Investitionen schwächeln, hier muss man gegensteuern.

ÖSTERREICH: Was halten Sie vom ÖGB-Steuermodell?
Schelling:
Es ist ein durchaus professionell ausgearbeitetes Konzept. Wir prüfen mehrere Modelle. Ich bin da pragmatisch. Mit Ideologien allein löst man keine Probleme. Das sieht man bei der Bildungsreform, in der man mit dem Lehrerdienstrecht begonnen hat. Das war aus meiner Sicht der falsche Weg.

ÖSTERREICH: Kommt endlich eine echte Bildungsreform? Gerade hier haben die Ideologien - siehe gemeinsame Schule - eine Reform stets verhindert?
Schelling:
Es muss eine Bildungsreform kommen. Ich denke, dass durch das neue Team um Reinhold Mitterlehner etwas weitergehen wird. Es gibt ein Reformpapier der Wirtschaftskammer, zu dem ich stehe. Dass die Neue Mittelschule in der Sackgasse ist, zeigt sich immer deutlicher. Man sollte nicht in einer Sackgasse verbleiben, sondern kehrt machen. Da muss man fähig sein sich zu bewegen. Das fordern die Menschen von uns. Sonst wird die Politikverdrossenheit noch steigen.

I. Daniel, Washington

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