Die Zweiklassen-Medizin existiert wie nie zuvor - das bestätigen ÖSTERREICH-Recherchen. Für Geld gibt es schnelle Gesundheit.
Geld zählt für viele österreichische Ärzte offenbar weit mehr als die Gesundheit ihrer Patienten. Privatpatienten, die dem Arzt zusätzliches Einkommen bringen, werden im Vergleich zu Kassenpatienten bevorzugt behandelt.
Schockierende Fälle recherchierte die ÖSTERREICH-Redaktion: Ein junger Mann, der schon stationär im Spital lag, aber nur Kassenpatient war, wurde kurz vor einer schweren Herzoperation wieder nach Hause geschickt. Der Grund: Der Chirurg wollte offenbar lieber einen Privatpatienten operieren, denn dieser brachte ein ordentliches Nebeneinkommen.
Schnellere OP für Geld
Dieses Beispiel ist in heimischen
Spitälern kein Einzelfall. „Viele Ärzte sind Einsackler und sonst gar
nichts“, sagt der Gesundheitsexperte und ehemalige Arzt Werner Vogt. Zu ihm
kamen in seiner Tätigkeit als Pflegeombudsmann oftmals Patienten, die sich
über die ungleiche Behandlung von Kassen- und Privatpatienten beschwerten:
„Ich kenne einige Fälle, bei denen ein Patient das Krankenhaus wieder
verlassen musste, weil ein anderer, zahlender kam.“ Und ein AKH-Insider
erzählte ÖSTERREICH: „Ohne Privatversicherte wäre das Gesundheitssystem
schon zusammengebrochen. Und ja, mit Sonderklasse erhält man immer schneller
einen Operationstermin.“
Schon 300 Beschwerden
Die Wiener VP-Stadträtin und
Gesundheitsexpertin Ingrid Korosec hat mit diesem Phänomen täglich zu tun.
Sie startete im Sommer eine Kampagne gegen lange Wartelisten und entdeckte
dadurch, was im Verborgenen abläuft. Sie sagt, dass es viele Fälle gebe, bei
denen Patienten sogar zwei bis drei Mal nach Hause geschickt wurden, obwohl
sie einen OP-Termin hatten. Aber: „7.000 Euro im Kuvert und ein rascher
Termin war kein Problem“, sagt Korosec. Innerhalb weniger Tage brachte sie
mehr als 300 ähnlich gelagerte Fälle in Erfahrung.
Daniela Müller (Name geändert) erzählt im ÖSTERREICH-Gespräch aus der gängigen Praxis, wo zahlende Patienten bevorzugt werden. Sie arbeitete jahrelang in einem Wiener Ordensspital und schildert den Ärzte-Alltag so: „Es geschah circa drei Mal im Monat. Der planende Arzt hat gesagt: ,Der Chef hat noch einen Sonderklasse-Patienten. Wir müssen jemanden aus dem Programm schmeißen, suchen Sie aus, mit wem es am wenigsten Schwierigkeiten geben wird.'“
Schwere Mängel bei Warteliste
Auch die Arbeitsgruppe
Gesundheitswesen der Antikorruptionsstelle Transparency International weist
in ihrer soeben erschienen Österreich-Studie auf schwere Mängel bei
Wartelisten hin: „Chefeinschub“ heiße das im Jargon. Mit dem Hippokratischen
Eid, auf den Ärzte schwören, hat das oft wenig zu tun: „Meine Verordnungen
werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und
Urteil, sie schützen vor allem, was ihnen Schaden und Unrecht zufügen
könnte.“
Kein Kommentar
Von der zuständigen VP-Gesundheitsministerin
Andrea Kdolsky gibt es bisher nur vage Aussagen. Für sie gibt es im
österreichischen Gesundheitssystem weiter keine Probleme.