Koalition vor dem Aus?

Sobotka attackiert Kanzler Kern

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Der Innenminister legt sich erneut mit dem Kanzler an - und der schlägt zurück.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgt wieder einmal für Aufregung in der Regierung. Jüngster Anlass: Sobotka warf Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) "Versagen als Kanzler" vor und stellte ein Veto gegen Bildungsreform und kalte Progression im Ministerrat in den Raum. "Fast täglich grüßt das Murmeltier", kommentierte dies SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda in einem Tweet.

Kern fordert Vernunft
Bundeskanzler Kern forderte am Montag am Rande eine Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs "Vernunft" vom Koalitionspartner ein. "Wenn diese Regierungszusammenarbeit von einzelnen aufgrund persönlicher, egoistischer Eigeninteressen mutwillig zerstört wird, dann muss allen bewusst sein, dass man hier der freiheitlichen Partei den roten Teppich in die nächste Regierung ausrollt. Das muss jeder für sich verantworten, ob er das für richtig hält oder nicht", sagte Kern im Ö1-"Mittagsjournal" in Richtung ÖVP.

Sobotka hatte schon beim Regierungs-Update Ende Jänner für Irritationen gesorgt. Damals drohte der Minister, seine Unterschrift nicht unter das Verhandlungswerk setzen zu wollen. Kanzler Kern und Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner stellten für diesen Fall den Rauswurf aus der Regierung in Aussicht, Sobotka unterschrieb.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sieht die Regierung ein Jahr nach ihrem Neustart unter Bundeskanzler Kern trotz der aktuellen Misstöne auf gutem Weg. "Die politischen Ergebnisse der letzten Monate sind absolut herzeigbar", erklärte Schieder. "Auch wenn manche in der Koalition lieber bremsen und blockieren als gemeinsam Sacharbeit zu machen, ist es gelungen, in wesentlichen Bereichen etwas weiterzubringen", so der SP-Klubchef. Über politische Fortschritte und Verbesserungen für die Mittelschicht will die SPÖ-Parlamentsfraktion nun in einer kleinen Inseratenkampagne informieren. Und Schieder will bis zum Ende der Legislaturperiode weiterarbeiten, wie der SPÖ-Politiker einmal mehr betonte.

In puncto Abfederung der kalten Progression wird in der Koalition unterdessen auch für die dieswöchige Ministerratssitzung nicht mit einer Einigung gerechnet. Ein ursprünglich für Montag anberaumtes Verhandlungsgespräch musste aus terminlichen Gründen abgesagt werden. Eine Einigung in der Koordinierungssitzung für den Ministerrat schien eher unwahrscheinlich, hieß es aus Regierungskreisen.

Sobotka prescht mit Gesetz vor
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) schickt eine Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) in Begutachtung, ohne das zuvor mit dem Koalitionspartner SPÖ akkordiert zu haben. Das kündigte Sobotka am Montag vor Journalisten an. "Ich werde permanent in Sicherheitsfragen blockiert", sagte der Minister. Das Gesetz liege seit 9. März beim Spiegelminister, "und es tut sich nichts".

Im Prinzip geht es bei der Novelle um Neuerungen zur Videoüberwachung, zur Autokennzeichenerfassung sowie zum Community-Policing-Projekt "Gemeinsam Sicher". Bei der Videoüberwachung soll die Herausgabe und die Verwendung von Daten, die Private gesammelt haben, auf freiwilliger Basis für alle sicherheitspolizeilichen Zwecke möglich werden. Für Verkehrsträger wie die ÖBB, die ASFINAG, Verkehrsverbände und -betriebe sowie Flughäfen soll die unverzügliche Herausgabe von Videomaterial für sicherheitspolizeiliche Zwecke verpflichtend werden.

Sobotka wünscht sich auch eine Änderung im Datenschutzgesetz: Demnach sollen die Sicherheitsbehörden in das Registrierungsverfahren eingebunden werden, das bisher die Datenschutzbehörde allein bestreitet. Sobotka will eine Einzelprüfung für jeden Fall und die Möglichkeit, dass die Datenschutzbehörde eine Mindestspeicherdauer bis zu vier Wochen festlegen kann, wenn dies erforderlich ist und die Sicherheitsbehörde das entsprechend begründet.

Sobotka „Wer macht denn da Wahlkampf?“

ÖSTERREICH: Warum schicken Sie das Sicherheitspolizeigesetz ohne Abstimmung mit der SPÖ in Begutachtung?

SOBOTKA: Ich werde beim Thema Sicherheit permanent blockiert. Schon am 9. März hatte die SPÖ einen Vorschlag und hat vier Wochen für eine erste Reaktion gebraucht. Wir können nicht endlos verhandeln. Mit Minister Doskozil gibt es kein Problem.  Aber mit der SPÖ – und der Kanzler ist der SPÖ-Chef.

ÖSTERREICH: Warum dann nicht gleich Neuwahlen?

SOBOTKA: Meine Haltung kennt man: Ich bin an der Sacharbeit interessiert. Wir haben ein Regierungsprogramm, also setzen wir das zügig um.

ÖSTERREICH: Also sind Sie gegen Neuwahlen?

SOBOTKA: Für mich geht es um Inhalte. Jeder kennt die Terror-Lage in Europa – es geht um Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Wer macht denn permanent Wahlkampf?

ÖSTERREICH: Es ist also Kanzler Kern. der mit Neuwahlen spielt?

SOBOTKA: Wer sich inszeniert und mit versteckter Kamera Pizza ausliefert kann nicht ernsthaft behaupten, dass er nicht im Wahlkampf steckt.

         (gü)


 

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