Montag findet im Sozialausschuss ein Experten-Hearing zur umstrittenen Reform statt.
Wien. Der Streit um das neue Sozialhilfe-Gesetz geht heute in die nächste Runde: Die umstrittene Reform landet im Sozialausschuss des Parlaments und wird einem Experten-Hearing unterzogen. Für Aufregung sorgt der Regierungs-Plan vor allem deshalb, weil bei Mehrkindfamilien gekürzt wird. Auch durch andere Maßnahmen, wie die Deckelung beim Wohngeld, sind laut NGOs und Opposition vor allem Kinder gefährdet, in die Armut zu stürzen.
100.000 Kinder waren 2018 zu einem Zeitpunkt auf die Mindestsicherung angewiesen. Die Armutskonferenz geht davon aus, dass mehr als die Hälfte von den geplanten Kürzungen betroffen sein wird – etwa 10.000 davon von Alleinerziehenden. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) spricht gar von über 60.000 betroffenen Kindern.
Klagen? Hacker appelliert an die türkis-blauen Abgeordneten, den Gesetzesentwurf noch einmal zu überarbeiten. Ändere sich nichts am Plan der Regierung, steht eine Verfassungsklage Wiens weiter im Raum, wie er ÖSTERREICH verrät.
Hacker geht davon aus, dass das Gesetz aber ohnehin vor dem VfGH landen würde. So hat etwa das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR am Sonntag davor gewarnt, dass die Regierungsvorlage gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und eine EU-Richtlinie verstoße.
"Das Gesetz erzeugt Kinderarmut"
ÖSTERREICH: Wird es jetzt aus Wien eine Verfassungsklage geben?
Peter Hacker: Es ist noch zu früh, um diese Frage endgültig zu beantworten. Wir warten den parlamentarischen Prozess ab, denn ich gebe die Hoffnung ehrlich gesagt nicht auf, dass die Abgeordneten – wenn sie sich das im Detail anschauen – sagen: Da braucht es eine Überarbeitung.
ÖSTERREICH: Wenn der Gesetzesentwurf aber so bleibt, wird Wien dagegen vorgehen?
Hacker: Wir halten das Gesetz in mehreren Passagen nicht für verfassungs- und EU-Rechts-konform. Ich will diese Entscheidung nicht vorwegnehmen. Aber so oder so: Wenn das so bleibt, landet es ganz sicher vor dem VfGH.
ÖSTERREICH: Welche Punkte halten Sie für problematisch?
Hacker: Die Regierung ist mit diesem Gesetz an der Grundaufgabe gescheitert, Armut zu bekämpfen. Die kann jetzt allein dadurch, dass es keine Untergrenze gibt, von jedem Bundesland neu definiert werden. Die tragischste Konsequenz tragen die Kinder: 60.000 werden von Kürzungen betroffen sein. Dieses Gesetz erzeugt Kinderarmut.
Mindestsicherung NEU:
- Einzelpersonen 885 €
- Paare 1.240 €
- Familienzuschuss: 1 Kind 221 €, 2 Kinder 354 €, ab 3 Kindern 398 €
- Alleinerzieher (nicht fix) 1 Kind +106 €, 2 Kinder +186 €, 3 Kinder +239 €
- Bonus Behinderung (fix) 159 €
- Schlechte Deutschkenntnisse 575 €
Volkshilfe-Chef schläft auf der Straße
Protest. Volkshilfe-Chef Erich Fenninger will mit zweiwöchiger Protestaktion zeigen, wo die Reform für Betroffene enden könnte – „auf der Straße“. Er übernachtet nun in sämtlichen Landeshauptstädten im Zelt auf der Straße. Heute in Linz.
(fis)