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SPÖ und ÖVP nominieren Verfassungsrichter

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Vor dem Pensionsantritt zweier Höchstrichter wird die Nachfolge geklärt.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhält zwei neue Mitglieder: Die Verfassungsrichter Lisbeth Lass und Herbert Haller gehen zu Jahresende mit Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren in Pension. Die Nachbesetzung obliegt de jure Nationalrat und Regierung. De facto hat sich die Koalition dem Vernehmen nach aber darauf verständigt, das Nominierungsrecht für den Nationalrats-Posten der SPÖ und für den Regierungs-Posten der ÖVP zu überlassen. Als aussichtsreiche Kandidaten gelten zwei Professoren der Wiener Wirtschaftsuniversität.

Politischer Einfluss offenes Geheimnis
Dass die Verfassungsrichter de facto von den Regierungsparteien bestellt werden, gilt als offenes Geheimnis. "Es kommt niemand hinein, der nicht das Vertrauen einer politischen Kraft hat", hatte im Sommer der frühere VfGH-Präsident Ludwig Adamovich im "Standard" einbekannt. Mit Interesse beobachtet wurde im Vorfeld der nun anstehenden Personalentscheidung daher auch, welche der beiden Koalitionsparteien das Nominierungsrecht für Haller - er war in der Zeit der schwarz-blauen Regierung von der FPÖ ins Höchstgericht geschickt worden - erhält.

Regierungsparteien nominieren je einen Höchstrichter
Dem Vernehmen nach hat sich die Koalition darauf geeinigt, dass die SPÖ den vom Parlament zu bestimmenden Nachfolger von Lisbeth Lass nominiert und die ÖVP den von der Regierung zu entsendenden Nachfolger Hallers bestimmt. Gute Chancen auf das Parlamentsticket werden demnach dem WU-Vizerektor Michael Holoubek eingeräumt, der als Aufsichtsratsmitglied der Wiener Stadtwerke das Vertrauen der Wiener SPÖ genießt. Beworben hat sich außerdem das als SP-nahe geltende VfGH-Ersatzmitglied Lilian Hofmeister, Ersatzmitglied Gabriele Kucsko-Stadlmayer hat ihre Bewerbung dagegen zurückgezogen.

13 Kandidaten zum Hearing zugelassen
Zugelassen waren zum Hearing im Nationalrat insgesamt 13 Kandidatinnen und Kandidaten (zwei der ursprünglich 15 Bewerber haben sich wieder zurückgezogen). Sein Interesse bekundet hat auch Rechtsanwalt und Flughafen-Aufsichtsratschef Christoph Herbst, was allerdings eher als Signal für die nächste vom Parlament zu besetzende Richterstelle gewertet wird: 2011 geht mit Willibald Liehr nämlich ein Verfassungsrichter in Pension, der wie Herbst der niederösterreichischen ÖVP nahe steht. Über die Nachbesetzung entscheidet der Bundesrat Ende nächsten Jahres.

Georg Lienbacher möglicher ÖVP-Kandidat
Als möglicher Kandidat für das von der ÖVP zu besetzende Regierungsticket in den VfGH gilt Georg Lienbacher, der wie Holoubek an der WU-Wien lehrt. Lienbacher war im März als Chef des Verfassungsdiensts im Kanzleramt abgelöst und durch den Vize-Büroleiter von Kanzler Werner Faymann (SPÖ), Gerhard Hesse, ersetzt worden. Die ÖVP sprach von Umfärbung. Außerdem hatte sich Lienbacher bereits im Vorjahr in den Verfassungsgerichtshof beworben. Zum Zug kam damals allerdings Johannes Schnizer, der langjährige Verfassungsexperte im SP-Parlamentsklub.

Die endgültige Entscheidung über den Parlaments-Kandidaten trifft der Nationalrat voraussichtlich in seiner übernächsten Sitzung am kommenden Donnerstag. Allgemein wird daher davon ausgegangen, dass die Regierung ihren Kandidaten bereits am kommenden Dienstag im Ministerrat nominiert (wie immer ohne Hearing). Dies sei allerdings noch nicht fix, hieß es am Donnerstag in Regierungskreisen.

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